Vorausdenkende braucht das Land!
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hat letzte Woche mit einem Appell aufhorchen lassen. „Normaldenker“ brauche das Land, so ihre Forderung. Eine Aussage, die tief blicken lässt, was das Politikverständnis der ÖVP betrifft.
Österreich an die Spitze bringen, davon will man bei der ÖVP offensichtlich nichts wissen: Mittelmaß lautet das erklärte Ziel. Angesichts rasanter Entwicklungen und technologischer Disruptionen von nie dagewesenem Ausmaß erscheint die Forderung von Mikl-Leitner geradezu lachhaft. Nicht Normal- sondern Vorausdenkende braucht das Land!
Die Welt von heute dreht sich schneller als je zuvor. Während Netflix über drei Jahre gebraucht hat, um eine Million Nutzer:innen zu erreichen, hat ChatGPT das in fünf Tagen geschafft. Die Rasanz der Entwicklungen verunsichert viele Menschen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen den Generationen, wie eine aktuelle Umfrage zeigt: In der Gen Z erscheint künstliche Intelligenz nur jedem Zweiten beunruhigend. Bei den Babyboomern ist die Angst bei über 80 Prozent der Befragten am stärksten ausgeprägt.
Statt Vertrauen zu stärken, in einen Dialog mit der Gesellschaft zu treten und Regulierung für einen Umgang mit künstlicher Intelligenz voranzutreiben, schüren ÖVP und FPÖ Ängste. Dumpfer Populismus trumpft lösungsorientierte Politik. Den wirtschaftlichen Abstieg unseres Landes nehmen sie dabei willkürlich in Kauf. Ein Armutszeugnis.
In einem Land, das nicht über große Rohstoffvorkommen verfügt, liegt unser Wohlstand einzig und allein in den Menschen und ihren Talenten. Doch die ÖVP und ihre Koalitionspartner in Bund und Ländern lassen sie verkümmern. Österreichs Grundlagenforschung ist chronisch unterfinanziert. So schlägt die Universitätenkonferenz erneut Alarm: Nicht einmal die Energiekosten könnten die Universitäten mit den verfügbaren Mitteln berappen. Forschung in wesentlichen Zukunftsfragen – Klima oder künstliche Intelligenz – müsse hintangestellt werden. Ein derart forschungsfeindliches Umfeld bringt auch Vorausdenker wie Sepp Hochreiter zum Verzweifeln. Aufgrund fehlender Finanzierung kann er die von ihm entwickelte künstliche Intelligenz nicht anlernen. Was für eine Schande!
Schweden, die Niederlande oder Deutschland: Sie alle haben verstanden, dass künstliche Intelligenz die Art, wie wir leben und arbeiten, grundlegend verändern wird und entsprechende Budgets dafür veranschlagt. Estland testet im Moment individuelle Lehrpläne für Kinder auf Basis künstlicher Intelligenz. Und Österreich? Zurück in die Normalität, lautet hierzulande das Credo. Aber die von ÖVP und FPÖ ersehnte „Normalität“ wird es nicht geben. Wandel ist die einzige Konstante. Wollen wir in diesem Wandel Subjekt oder Objekt sein? Es liegt an uns!