Die „Millionärssteuer“ der SPÖ auf dem Prüfstand
Am 6. September hat die SPÖ ein überarbeitetes Modell für ihre Pläne einer Vermögenssteuer – oder wie sie es nennt, „Millionärssteuer“ – vorgelegt.
Die wesentliche Neuerung an diesem Konzept ist, dass es nun eine Ausnahme der Vermögensbesteuerung für Häuslebauer:innen geben soll. Wer ein Eigenheim im Wert von bis zu 1,5 Millionen Euro besitzt und dieses als Hauptwohnsitz nutzt, soll von den SPÖ-Plänen der „Millionärssteuer“ in Zukunft ausgenommen sein.
Von einem echten Modell für diese Steuer ist man aber immer noch weit entfernt. Stattdessen liest es sich wie eine populistische Aneinanderreihung von Wortphrasen und falschen Vergleichen, die durch erfundene Zahlen bestärkt werden sollen.
Kreative Interpretation der Steuerstatistik
Die SPÖ bedient bei ihrer Präsentation das häufig gebrachte Argument, dass Österreich im internationalen Vergleich den Faktor Arbeit zu hoch und den Faktor Kapital zu niedrig besteuern würde. Im neuen SPÖ-Modell wird ein OECD-Vergleich angeführt, in dem Österreich bei vermögensbezogenen Steuern nur den fünftletzten Platz belegt. Was Babler ändern wolle:
„Mit der Einführung der Vermögenssteuer würde sich Österreichs Steuersystem an internationale Standards angleichen.“
SPÖ
Diese Aussage ist verwunderlich. Denn es ist internationaler Standard, dass ein Land keine Vermögenssteuer einhebt. Von den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union hebt aktuell nur Spanien eine Vermögenssteuer ein. Diese ist jedoch auf zwei Jahre begrenzt und wird Ende 2024 voraussichtlich wieder abgeschafft werden.
Auch in den Staaten des von der SPÖ angeführten OECD-Vergleichs finden sich fast ausschließlich Länder, die keine Vermögenssteuer kennen. Babler vermengt hier die Begriffe „Vermögenssteuer“ und „vermögensbezogene Steuern“ und erzeugt so ein Bild, das in der Realität nicht existiert.
Wenn man sich der Debatte von einem anderen Winkel nähert, ist eher verwunderlich, dass Österreich im OECD-Vergleich an vierter Stelle zu finden ist, wenn es um die Höhe der Abgabenlast geht. Nur Deutschland, Belgien und Frankreich verlangen ihren Steuerzahler:innen noch mehr ab. Basierend auf diesem Vergleich wäre eine Angleichung an internationale Standards durch eine Senkung der Abgabenquote höchst wünschenswert. Die SPÖ dagegen konzentriert sich auf „vermögensbezogene Steuern“ – und meint damit größtenteils die Grundsteuer, die in anderen Ländern tatsächlich viel höher ausfallen kann. Österreich besteuert Vermögenswerte aber stärker über die Einnahmen, die aus diesen generiert werden: Kapitalertragsteuer, Immobilienertragsteuer etc.
Die Vermögenssteuer in Spanien ist zudem in Wahrheit nur ein weiteres Beispiel dafür, wie schlecht eine Vermögenssteuer in der Praxis funktioniert. Die „Temporäre Solidaritätssteuer auf große Vermögen“ ist komplex, teuer, ineffizient und rechtlich umstritten. Ob sie sich überhaupt am Ende rechnen wird und wirtschaftlich nicht mehr Schaden als Nutzen anrichtet, wird sich erst zeigen.
Auch das OECD-Land Norwegen kämpft aktuell mit seiner Vermögenssteuer, nachdem diese eine große Anzahl der vermögendsten Steuerzahler:innen aus dem Land vertrieben hat. Als Folge erwartet die norwegische Wirtschaft wohl ein großer finanzieller Schaden und eine Reduktion der Steuereinnahmen – darunter auch Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer etc., die durch eine Vermögenssteuer reduziert werden.
OECD gegen Vermögenssteuern
Die Vermögenssteuer ist nach wie vor international ein Auslaufmodell, und die Versuche ihrer Wiedereinführung eigenen sich als abschreckendes Beispiel. Das sieht auch die OECD so – und eben deswegen empfiehlt sie keine Einführung einer Vermögenssteuer in Kombination mit einer Erbschaftssteuer für Länder mit einem bestehenden Steuersystem, wie es in Österreich der Fall ist.
Die SPÖ hat es also vollbracht, sich in ihrem Modell für eine Vermögens- und Erbschaftssteuer an einer Quelle zu bedienen, die eigentlich aussagt, dass man ihr Modell für eine Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer nicht umsetzen sollte. Darüber hinaus ist auch die von Andreas Babler und der SPÖ wiederholt getätigte Aussage, dass uns die OECD eine Vermögenssteuer empfehlen würde, nicht wahrheitsgetreu. Es existiert schlicht und einfach keine solche Empfehlung. Vielmehr sagt uns die OECD das exakte Gegenteil.
Zu guter Letzt ist auch die Behauptung, dass ein Prozent der Bevölkerung 50 Prozent des Vermögens in Österreich besitzen würde – direkt nach Erwähnung der OECD – nicht korrekt. Die OECD geht nämlich von 26 Prozent aus. An dieser Stelle wird von der SPÖ ganz einfach eine fremde Zahl aus einem theoretischen Modell von Ökonom:innen der Oesterreichischen Nationalbank angeführt. Dieses Modell ergibt jedoch nur unter ganz bestimmten Annahmen einen unrealistischen Extremwert von 50 Prozent. Belegt ist dieser Wert durch keinerlei Daten – und die Autor:innen selbst warnen davor, diese Zahl zu verwenden. Aber die SPÖ bleibt dabei.
Unbelegte Fantasiezahlen
Trotz der vorgesehenen Ausnahme für Eigenheime bis zu 1,5 Millionen Euro rechnet die SPÖ weiterhin mit einem erstaunlich hohen Steueraufkommen von 5 bis 6 Milliarden Euro durch die Vermögenssteuer. Somit soll sie ca. das Zehnfache dessen bringen, was die 1993 abgeschaffte Vermögenssteuer in Österreich eingebracht hat – und das, obwohl die steuerfreien Freibeträge diesmal wesentlich höher angesetzt wären und Betriebsvermögen von einer Doppelbesteuerung ausgenommen wäre.
Die Schätzungen der SPÖ für eine Vermögenssteuer kommen ausschließlich aus theoretischen Modellen, die nur unter den richtigen Annahmen sehr hohe Werte ausspucken. Dabei muss man sich gar nicht auf die Theorie verlassen, sondern sich nur ein passendes Beispiel aus der echten Welt suchen: Frankreich.
Dort wurde bis 2018 eine Vermögenssteuer eingehoben, die mit dem neuen SPÖ-Modell der „Millionärssteuer“ gut vergleichbar ist. Die besteuerten Vermögenswerte, steuerfreien Freibeträge und progressiv gestalteten Steuerstufen unterscheiden sich nicht zu grob voneinander. Die französische Vermögenssteuer war für kleinere Vermögen ein wenig höher angesetzt, als es das SPÖ-Modell für Österreich vorsehen würde: In der Rechnung der SPÖ geht es um eine Höchstbesteuerung von zwei Prozent ab 50 Millionen Euro, in Frankreich lag die Grenze bei 1,5 Prozent ab 10 Millionen.
Wenn wir nun Theorie und Realität miteinander vergleichen, zeigt sich, dass die in der Realität existierende Vermögenssteuer in Frankreich im Schnitt nur ca. 5 Milliarden Euro pro Jahr an Steueraufkommen erzeugen konnte. Selbst in den besten Jahren wurde dieser Wert im großen, reichen Frankreich kaum überboten – obwohl Frankreich eine 7,5-mal größere Bevölkerung und gleichzeitig einen höheren prozentualen Anteil an Millionär:innen hat. Das theoretische Modell der SPÖ ergibt aber für das wesentlich kleinere Österreich dasselbe Steueraufkommen. Der direkte Vergleich von Praxis und Theorie zeigt hierbei sehr klar, dass die SPÖ mit Fantasiezahlen agiert.
SPÖ bleibt bei populistischen Scheinlösungen
Auch das neue Modell der SPÖ zur Millionärssteuer schafft es also nicht, die offenen Fragestellungen und Probleme auszuräumen. Nachfragen zur Machbarkeit eines Vermögensregisters wurden von Babler im ORF-Sommergespräch noch sinngemäß als Detailfragen abgetan, und die Berechnungsgrundlage hält einem Vergleich mit der echten Welt nicht stand. Aber vielleicht geht es nicht darum, soziale Gerechtigkeit zu schaffen – sondern ein populistisches Narrativ von „Arm gegen Reich“ zu erzählen.
Trotzdem fragt SPÖ-Chef Babler plakativ, wieso es diese Steuer eigentlich nicht schon längst gäbe – obwohl sie von seiner eigenen Partei unter Finanzminister Ferdinand Lacina abgeschafft wurde. Eine Position, die Lacina übrigens bis heute vertritt. Die vielen Schwachstellen, hohen Kosten, Komplexität und negativen Folgen für die Wirtschaft haben selbst die Sozialdemokratie damals überzeugt, diese Steuer abzuschaffen.
International ließ sich diese Entwicklung jahrelang auch in vielen anderen Ländern beobachten: Die tatsächlichen Steuereinnahmen und die mit dieser Steuer verbundenen Unsicherheiten standen in keinem Verhältnis zueinander. Jene Länder, die den Versuch wagten, sie wieder einzuführen, sollten uns als Warnung dienen, denn die theoretisch berechneten Steuereinnahmen konnte kein einziges Land ansatzweise erreichen. Von „mehr sozialer Gerechtigkeit“ keine Spur.
Eine echte Entlastung des Faktors Arbeit ist mit dieser Steuer nicht realistisch – und genau daran sollte die SPÖ arbeiten, statt sich mit Populismus und Fantasiezahlen zu beschäftigen.
LUKAS LEYS ist Unternehmer, Gründer des Legal-Tech-Startups kontractory und Betreiber der Plattformen immobily.io, mietrecht.ai und gmbh.legal. Ihn treibt ein starkes Interesse am technologischen Fortschritt und an den gesellschaftlichen Auswirkungen, die diese mit sich bringen wird. Sein Schwerpunkt liegt auf Blockchain-Technologie, Smart Contracts und dem Metaverse.