6 gute Gründe gegen eine Vermögenssteuer
Vermögenssteuern sind eigentlich eine Sache von gestern. Viele Staaten weltweit haben diese Art der Steuer in den letzten Jahrzehnten abgeschafft. Von 27 EU-Staaten gibt es mit Spanien heute nur noch ein einziges Land, das diese Steuer innerhalb der Europäischen Union einhebt.
In Europa insgesamt finden sich zudem noch die Schweiz und Norwegen, Staaten wie Deutschland, Italien, die Niederlande oder Schweden haben sich von dieser Steuer verabschiedet. Die spanische Vermögenssteuer ist darüber hinaus nichts mehr als ein Experiment, das am 1. Jänner 2023 in Kraft getreten ist und nach zwei Jahren wieder abgeschafft werden soll. Ab diesem Zeitpunkt würde es dann keine Vermögenssteuer mehr in der EU geben.
Wenn niemand mehr Vermögenssteuern einhebt, müsste man doch logischerweise davon ausgehen, dass es gute Gründe dafür gibt. Niemand mehr? Ein von unbeugsamen Sozialdemokraten bevölkertes Land hört nicht auf, gegen diese Entwicklung Widerstand zu leisten. Eine Substanzbesteuerung auf das Vermögen der Österreicher:innen sei dringend notwendig, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen und dem Staat wichtige Geldmittel zu ermöglichen. Doch wie genau diese Steuer in der Praxis funktionieren soll, ist kaum zu ergründen.
Vermögenssteuer in Österreich: Funktionsweise unbekannt
Sieht man sich nun die Debatte um eine Vermögenssteuer in Österreich an, besteht diese im Wesentlichen aus Populismus, Konzeptlosigkeit und ignorierten Fragestellungen. Gefordert und behauptet wird zwar viel, eine klare Antwort auf wichtige Fragen sucht man aber vergeblich. Befürworter:innen von Gewerkschaften, Arbeiterkammern, der SPÖ oder dem Momentum Institut erklären gerne die angeblichen Vorteile und Effekte einer Vermögenssteuer, haben aber zu den Nachteilen und Risiken dieser Steuer wenig zu sagen. Denn die Fragen der Kosten, der Bewertung von Vermögen in der Praxis, Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger:innen, Folgen für die Wirtschaft und rechtliche Probleme machen die Vermögenssteuer schnell wesentlich weniger attraktiv, als sie gern verkauft wird.
Selbst beim Momentum Institut, einem wissenschaftlich arbeitenden „Thinktank“, der viel Öffentlichkeitsarbeit zu Vermögenssteuern leistet, sucht man vergebens nach einem detaillierten Konzept dazu, wie diese Steuer eigentlich in der Praxis umgesetzt werden soll. Lediglich die Arbeiterkammer schenkt uns hierzu Anhaltspunkte und beschreibt in einem Artikel eine hochkomplexe Problemstellung in der Umsetzung mit vielen offenen Fragen.
Wesentliche Fragestellungen werden auch hier ignoriert. Man lernt aber: Zur Umsetzung dieser Steuer ist sehr viel Aufwand nötig, umfassende Reformen und drastische Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger:innen. Es gibt also viele Gründe, warum die Einführung einer Vermögenssteuer eine schlechte Idee wäre. Gehen wir sie durch.
1. Wie misst man Vermögen?
Die österreichischen Modelle von AK, ÖGB, GPA oder SPÖ sehen eine Besteuerung des Nettovermögens von natürlichen Personen in Österreich vor. Vermögenswerte sind Unternehmen, Immobilien, Wertpapiere, Bankguthaben, Sparbücher, Kraftfahrzeuge, Schmuck, Kunst, Möbel, Antiquitäten – eben alles, was man eben als Vermögenswerte definieren kann. Besteuert wird, sobald man einen gewissen Freibetrag übersteigt – in der Regel eine Million Euro.
Betriebsvermögen soll davon verschont bleiben, da die Vermögenssteuer dieses sonst auf Ebene der Unternehmen und der Anteilseigner:innen der Unternehmen doppelt besteuern würde. Das nehmen viele Befürworter:innen der Steuer zum Anlass, inkorrekter Weise zu behaupten, dass die Vermögenssteuer keine Unternehmen treffen würde. Anteilseigner:innen werden jedoch große Geldbeträge aus den Unternehmen entziehen müssen, um sich die Vermögenssteuer darauf leisten zu können.
Und hier fangen die eigentlichen Probleme an, die gerne nicht angesprochen werden: Woher weiß man denn genau, wann eine Person eine Million Euro Vermögen besitzt? Wie bestimmt man das exakte Vermögen aller Österreicher:innen? Und wie viel Kosten und Mühen sind damit verbunden, diesen exakten Wert zu bestimmen? Nur für wenige der zuvor erwähnten Vermögenswerte existieren Marktpreise. Andere Vermögenswerte müssen durch komplexe Bewertungsverfahren und fachlich qualifizierte Personen bewertet werden.
So werden Tür und Tor für negative Anreize, Ausweicheffekte und Gestaltungsspielraum geöffnet. Hunderttausende Haushalte müssten nun jährlich kostenpflichtig ihr Vermögen bewerten lassen und in die Steuererklärung aufnehmen. Das Finanzamt muss diese Bewertungen wiederum prüfen und nach Nicht- oder Falschdeklarationen Ausschau halten. Die Vollzugskosten der Vermögenssteuer sind trotz Digitalisierung signifikant, der Reformbedarf, um diese Steuer überhaupt möglich zu machen, groß. Alle Vermögenswerte der Bevölkerung müssen nun bekannt und ständig bewertet bleiben. Und hier beginnt klar zu werden, dass diese Steuer ohne Freiheitseinschränkungen nicht möglich sein wird.
2. Freiheit und Vermögenssteuer vertragen sich nicht
Will man genauer verstehen, wie die Vermögenssteuer in der Praxis ausgestaltet sein soll, so gibt Website der österreichischen Arbeiterkammer Aufschluss zu dieser Frage. Eines der wenigen detaillierteren Werke zur Vermögenssteuer in Österreich kommt von der Arbeiterkammer und trägt den passenden Titel Tax Me If You Can. In kürzerer Form wird zudem über Fakten & Mythen zur Vermögenssteuer aufgeklärt. Dort zeigt sich schnell: Eine Vermögenssteuer kann nur funktionieren, wenn wir die persönliche Freiheit der Bevölkerung stark einschränken.
So müsste eben ein öffentliches Vermögensregister für ganz Österreich her. Dort werden dann alle Vermögenswerte von Privatpersonen im Land eingetragen, sodass endlich Klarheit darüber herrscht, wer wie viel wovon besitzt. Es bleibt zu hoffen, dass „öffentlich“ hierbei nicht „für jeden einsehbar“ bedeutet, sonst freuen sich neben dem Finanzamt noch die Nachbarschaft, die Kolleg:innen, die Verwandtschaft und der Einbrecher. Gläserne Bürger:innen, von denen der Staat all ihren privaten Besitz kennt, sind also nötig, damit diese Steuer überhaupt funktionieren kann.
Eine Armee an Staatsbediensteten muss dieses Vermögensregister verwalten und alles darin prüfen und bewerten. Und all das nur, damit ein Mensch, der zwei Millionen Euro an Vermögen besitzt, eine Steuer in Höhe von 5.000 Euro im Jahr abführt, zumindest laut dem Konzept der Gewerkschaft GPA oder der SPÖ.
3. Offensichtliche Fehler werden ignoriert
Sollten vermögende Menschen es dann in Betracht ziehen, ihren Lebensmittelpunkt ins Ausland zu verlegen, hat die Arbeiterkammer auch für diesen Fall eine Lösung: Es benötigt dann einfach eine Verschärfung der Wegzugsbesteuerung, damit es für die Menschen sehr teuer wird, in einem anderen Land leben zu wollen.
Derselbe Versuch wurde auch 2022 von Norwegen unternommen, um die aktuelle Kapitalflucht einzudämmen. Neben einer hohen Wegzugsbesteuerung wird auch überlegt, die Steuerpflicht an den österreichischen Staat an der Staatsbürgerschaft festzumachen. Die Idee scheitert in der EU schon am Grundrecht der Personenfreizügigkeit.
Schließlich sei aber auch die Lebensqualität in Österreich einfach so gut, dass man sich um Kapitalflucht hier wenig Sorgen machen müsse – so heißt es an einer Stelle auf der Website der Arbeiterkammer, womit sie ihren eigenen Ökonom:innen an anderer Stelle widerspricht. Die geografische Nähe zur ebenso lebenswerten Schweiz wird nicht erwähnt.
Eine Berücksichtigung für Menschen, die zwar am Papier Vermögen besitzen, aber nur wenig Einkommen erzielen, gibt es nicht. In Frankreich betraf das jede fünfte Person, die vermögenssteuerpflichtig war – offenbar aber kein Grund für die Arbeiterkammer, darauf Rücksicht zu nehmen. Vermögenswerte, die keine Rendite erzielen, werden ebenso nicht anders behandelt: Betroffene Personen müssen dafür eben ihr Einkommen verwenden, wodurch die Steuer wie eine massive Erhöhung der bereits hohen Einkommenssteuer im Land wirkt. Wer eine Zeit lang kein Einkommen erzielt, der muss sich eben von seinem Privatbesitz trennen, um sich die Steuer leisten zu können. Immerhin wird eine Steuerstundung vorgeschlagen, beispielsweise für den Fall, wenn Menschen eine Immobilie (laut AK z.B. das Eigenheim) verkaufen müssen, um sich die Steuer zu leisten.
Eine Inflationsanpassung der Freibeträge sucht man trotz höchster Inflationsrate seit Jahrzehnten vergeblich – daher wird früher oder später das Eigenheim der Mittelschicht vermögensbesteuert werden und eine neue Form der kürzlich abgeschafften kalten Progression eingeführt.
Wer also hier im Land leben will und Eigenheim, Schmuck, Gemälde oder PKWs besitzt, muss nun also dafür bezahlen, diese Vermögensformen besitzen. Der Staat darf zu jedem Zeitpunkt wissen, was seine Bevölkerung alles besitzt und wie viel es wert ist. Wer sich entscheidet, in ein anderes Land zu ziehen, der muss dafür nun einen großen Geldbetrag bezahlen. Wer sich die Steuer nicht leisten kann, der muss eben Vermögen verkaufen. Alles im Namen der sozialen Gerechtigkeit.
4. Die Datenlage ist schlecht
Die Datenlage zu Vermögen in Österreich ist schlecht, so viel bemängeln auch die Befürworter:innen von Vermögensbesteuerung. Trotzdem bieten uns alle davon Berechnungen für das Aufkommen dieser Steuer. So heißt es in Tax me if you can:
„Die Tarifvorschläge von ÖGB und GPA unterscheiden sich nur im unterschiedlichen Freibetrag (ÖGB: 700.000 EUR; GPA: 1 Mio. EUR) und somit auch nur geringfügig im erwarteten Aufkommen, das bei gut 5 Milliarden EUR liegen sollte. Selbst der SPÖ-Tarif mit relativ niedrigen Steuersätzen und einer geringen Progression lässt Einnahmen in Höhe von über 3 Milliarden EUR erwarten.“
Sieht man sich nun tatsächlich existierende Vermögenssteuern anderer Länder an, so wird schnell klar, dass diese Berechnungen aus einem Elfenbeinturm kommen und einem Realitätscheck nicht standhalten können. Frankreich hatte bis 2017 eine Vermögenssteuer in Höhe von 0,5 bis 1,5 Prozent ab einem Freibetrag von 800.000 (bzw. 1,3 Millionen) Euro. Mit 7,56-mal mehr Einwohner:innen und einem signifikant höheren Vermögen pro Kopf als Österreich konnte Frankreich damit nur ca. 5 Milliarden Euro über die Vermögenssteuer einnehmen.
Wie die auf Theorie basierende und aus einem Elfenbeinturm heraus berechnete Vermögenssteuer für Österreich die fast idente, in der Realität existierende Vermögenssteuer in Frankreich gleich um ein Vielfaches übersteigen kann, bleibt ein Mysterium. Zumal auch die bis 1993 existierende Vermögenssteuer in Österreich, die wesentlich geringere Freibeträge vorsah und zudem zusätzlich noch Betriebsvermögen besteuerte, nur rund 500 Millionen Euro jährlich einbringen konnte. Woher dieser massive Unterschied von Theorie und Praxis kommt, ist schwer zu ergründen. Frankreich können wir jedenfalls nicht mehr hierzu befragen – denn dort wurde die Vermögenssteuer im Jahr 2018 abgeschafft, nachdem sich lange gezeigt hatte, dass sie für den Staat ein Minusgeschäft ist.
5. Man kann Vermögenssteuern nicht isoliert beurteilen
Dass Vermögenssteuern eine teure und komplexe Form einer Steuer sind und wir nahezu keine Empirie dazu haben, wie hoch die letztendlich tatsächlich möglichen Einnahmen sind, ist eine Seite der Medaille. Hier liegt ein weiteres Problem: Die Vermögenssteuer existiert nicht in Isolation. Sie wirkt sich über unterschiedliche Effekte auf die Volkswirtschaft aus und kann das Steueraufkommen aus anderen Steuerquellen (Mehrwertsteuer, Lohn- und Einkommensteuer, Unternehmenssteuern etc.) verringern. In Österreich sucht man aber vergeblich nach einer Erwähnung dieser Tatsache. Hier existiert die Vermögenssteuer auf magische Weise unabhängig vom Rest der Volkswirtschaft und bringt laut Modellrechnungen ein gewisses Aufkommen, ohne dass sie Einflüsse auf andere Wirtschaftsbereiche und Steuerquellen hätte.
Die Realität sieht anders aus. Das Institut Ifo untersucht in einer Simulationsrechnung über einen Zeitraum von acht Jahren die Auswirkungen einer 1-prozentigen Vermögenssteuer mit 1 Million Euro Freibetrag. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Investitionen inländischer Unternehmen um 11 Prozent verringern würden, während die ausländischer Unternehmen sogar um 20 Prozent zurückgehen würden. Nach Ablauf der acht Jahre wäre das Bruttoinlandsprodukt um bis zu 6,2 Prozent niedriger als ohne die Vermögenssteuer.
Obwohl der Staat durch diese Steuer jährliche Einnahmen in Höhe von 17 Milliarden Euro erzielen würde, würde das jährliche Steueraufkommen aus anderen Quellen gleichzeitig um 38 Milliarden Euro abnehmen. Ein Verlustgeschäft also, das die kolportierten Ziele nicht erreicht. Wem eine Simulationsrechnung hierzu nicht reicht, der kann die Praxis dieser Effekte aktuell in Norwegen beobachten.
6. Die Vermögenssteuer bringt zu wenig
Österreich ist ein denkbar schlechtes Land für eine Vermögenssteuer. Die Datenlage, der Mangel an Erfahrungswerten, das Rechtssystem, geografische Nähe zur Schweiz, die Freiheit der Bürger:innen und vieles weitere machen die Einführung einer Vermögenssteuer hier schwer. Und letztendlich benötigen wir diese riskante Steuer nicht.
Denn der ständig behauptete grassierende Anstieg der Vermögensungleichheit in Österreich ist mehr politisch herbeigeredet, als in den Daten ersichtlich, z.B. in der World Inequality Database. Es zeigen sich nur geringe Veränderungen in den letzten Jahrzehnten, besonders im Vergleich zu anderen Ländern. Unser bestehendes System scheint zu funktionieren.
Gleichzeitig ist Österreich ein Land, in dem sehr wohl ein Löwenanteil der Steuern von den Reichen und Vermögenden bezahlt wird: Jene gerade mal 5 Prozent aller Einkommensbezieher, die mehr als 70.000 Euro pro Jahr verdienen, zahlen 42,5 Prozent der gesamten Einkommensteuer. Wie man bei solchen Zahlen danach rufen kann, dass die Reichen endlich einen „fairen Anteil“ bezahlen sollen, ist wenig verständlich. In der Regel handelt es sich um reine Klassenkampf-Rhetorik abseits der Realität.
Dieser faire Anteil wird bereits bezahlt. Eine zusätzliche Vermögenssteuer würde diesen Anteil erheblich verändern und kommt dabei mit Risiken und Folgen, die wir nur sehr schwer wirklich abschätzen können. Sollten durch eine Vermögenssteuer größere Unternehmen das Land verlassen, so kann sie auch hierzulande schnell ein Minusgeschäft werden. Es folgt der Verlust von Steuereinnahmen, Wirtschaftwachstum, Investitionen und Arbeitsplätzen in unserem kleinen Land. Jene Menschen, die von der Steuer gar nicht getroffen werden sollen, werden getroffen.
Eine Steuer, die solche Risiken mit sich bringt, viele Fragen offen lässt und keine echten Konzepte dahinter hat, sollte nicht Teil des politischen Diskurses in Österreich bleiben.
LUKAS LEYS ist Unternehmer, Gründer des Legal-Tech-Startups kontractory und Partner bei der Crypto-Agentur Validvent. Ihn treibt ein starkes Interesse am technologischen Fortschritt und an den gesellschaftlichen Auswirkungen, die diese mit sich bringen wird. Sein Schwerpunkt liegt auf Blockchain-Technologie, Smart Contracts und dem Metaverse.