Sollen sie doch Tofu essen!
Vegetarisch, vegan, plant-based – diese Begriffe werden immer präsenter, wenn man durch den Supermarkt seiner Wahl geht. Mehr und mehr Menschen bekennen sich zu einem Lebensstil, der weniger Tierleid erfordert, aber auch Umwelt und Gesundheit zuträglicher ist, vor allem unter Jugendlichen.
Die Hälfte aller österreichischen Jugendlichen muss jedoch mit 18 Jahren ihre Wehrpflicht im Rahmen des Zivil- oder Grundwehrdiensts ableisten.
Ohne Fleisch kaum möglich
Auch unter diesen jungen Männern häufen sich diejenigen, die sich vegan ernähren. Im Rahmen des Grundwehrdiensts sind sie für sechs Monate als verpflichtende Kostteilnehmer vom Speiseplan in den Speisesälen der Kasernen abhängig, welche durch Zentralküchen versorgt werden. Pflanzliche Hauptspeisen werden dort jedoch zumeist vergeblich gesucht. Bei zwei bis drei Angeboten, je nach Kaserne, sollte normalerweise eine vegetarisch sein. In der Praxis passiert es aber, dass nicht einmal das sichergestellt ist.
Der vor etwa einem Jahr eingeführte „Klimateller“ sollte jeden Dienstag eine vegetarische, manchmal sogar rein pflanzliche, Hauptspeise anbieten, um den CO2-Verbrauch bei der Ernährung zu senken. Gut gemeint – aber trotzdem nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wer vegan lebt, ist entweder auf Beilagen und Salate angewiesen (auch diese sind nicht immer definitionsgemäß vegan), oder muss sich, was leider öfter der Fall ist, für die Zeit seines Dienstes von seinen Überzeugungen lossagen und sich auf zumindest eine weitestgehend vegetarische Ernährung umstellen. Für Soldat:innen gilt dasselbe am Anfang, solange sie im Ausbildungsstatus stehen.
Selbst kochen als Alternative
Jetzt kann man natürlich sagen: „Das sind Soldaten:innen, die sollen essen, was sie kriegen!“ Eine Aussage, die ich selbst auch immer wieder zu hören bekomme.
Ich persönlich, Berufssoldat im Beamtenstatus, habe auch grundsätzlich kein Problem mit dem, was im Speisesaal angeboten wird. Ich bin kein verpflichtender Kostteilnehmer, also muss ich mich so oder so selbst um meine Verpflegung kümmern. Dafür habe ich Zugang zu einer Teeküche und einem Kühlschrank, sodass ich entweder selber kochen kann oder etwas von daheim einkühle. Der Speisesaal wäre dabei zwar eine kostengünstigere Alternative, aber ich habe es immer mit einem gewöhnlichen Beruf im zivilen Bereich verglichen, wo es diese Möglichkeit auch nicht immer gibt.
Hier kommt jetzt das große ABER: Grundwehrdiener haben selten bis nie die Chance, sich selbst zu verpflegen. Nahrungsmittel in der Unterkunft sind aus Hygienegründen untersagt, sie können nirgends etwas einkühlen, und die Küche benutzen dürfen sie auch nicht. Einzige Ausnahme sind dabei orthodoxe Juden, die in der Grundausbildung zumindest einen Kühlschrank, eine Kochplatte und Zeit und Geld zum Einkaufen bekommen, um für sich selbst eine koschere Ernährung gewährleisten zu können.
Vegan sein ist eine Weltanschauung
Warum ist es jetzt aus meiner Sicht wichtig, dass Soldat:innen Zugang zu einer ausgewogenen, veganen Alternative bekommen? Weil Veganismus als Weltanschauung durch Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützt wird und somit quasi wie eine Religion zu behandeln ist. Dazu gäbe es sogar einen Präzedenzfall aus Großbritannien, wo einem Gefängnisinsassen bezüglich seiner veganen Weltanschauung recht gegeben wurde.
Und genauso, wie für muslimische Grundwehrdiener zumindest eine Speise ohne Schweinefleisch und für strenggläubige Sikh Speisen ohne Rindfleisch oder Milchprodukte angeboten werden, sollten Veganer:innen ihrer Überzeugung auch oder vor allem im Bundesheer nachgehen können, wo sie zum Teil unfreiwillig ihren Dienst versehen. Nur ein unverhältnismäßiger Mehraufwand, der die Einsatzfähigkeit des Militärs einschränken würde, sollte dabei eine Ausnahme für Artikel 9 EMRK darstellen. Jedoch gibt es einige Beispiele von ausländischen Armeen, die ein veganes Angebot zur Verfügung stellen. Portugal schafft das zum Beispiel im gesamten öffentlichen Raum – und Israel rühmt sich selbst, die „most vegan Army“ der Welt zu sein, mit 10.000 Veganer:innen und auch veganer Ausrüstung wie Stiefel und Baretts.
Eine Bürgerinitiative für vegane Optionen
Aus diesem Grund habe ich mich letztes Jahr nach Anraten des NEOS-Abgeordneten Michael Bernhard dazu entschieden, mithilfe einer Bürger:inneninitiative (BI) gegen dieses Problem vorzugehen.
Wie funktioniert das? Eine solche Initiative braucht 500 handschriftliche (!) Unterschriften und ein Thema mit Bundeskompetenz. Ursprünglich wollte ich bei meiner Initiative eine vegane Option im gesamten öffentlichen Raum fordern – also in Schulen, Krankenhäusern, Gefängnissen etc. Aber diese unterliegen alle unterschiedlichen Kompetenzen, wenn es um die Verpflegung geht, deswegen habe ich mich auf das Bundesheer fokussiert und fordere darin nicht mehr als eine rein pflanzliche Menüoption im Bundesministerium für Landesverteidigung.
Aus meiner Sicht sollte das ziemlich einfach durchzuführen sein, indem man statt dem angeblich jederzeit verfügbaren vegetarischen Menü ein veganes anbietet. Damit würde man zudem eine universell für alle zugängliche Mahlzeit anbieten, da ein pflanzliches Gericht, zumindest was die Zutaten betrifft, alle Bedürfnisse von den üblichen religiösen Ernährungsvorschriften einhält.
Hilfe bekam ich dabei von der Veganen Gesellschaft Österreich (VGÖ) und dem Verein gegen Tierfabriken (VGT) hinsichtlich Formulierung, rechtlicher Grundlagen, und, noch viel wichtiger, beim Sammeln der Unterschriften. Zusammen mit den beiden Gruppen habe ich im Zeitraum von etwa März bis August 1.726 Unterschriften sammeln können, bevor ich die BI dann im September in der Parlamentsdirektion eingereicht habe. Seitdem durchlauft diese den parlamentarischen Ablauf im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen.
Hierzu wurde seitens des BMLV auch bereits eine Stellungnahme abgegeben. Diese ist aus meiner Sicht aber gefüllt von Ausflüchten und stellt alles schöner dar, als es in Wirklichkeit ist. Die Aussage zum Beispiel, der Ernährungsplan würde sich an die Empfehlung der Ernährungskommission halten und zum Großteil aus pflanzlichen Zutaten bestehen, konnte ich bisher in keiner Kaserne so entdecken.
Ausblick
Ein endgültiges Ergebnis hoffe ich im kommenden Jahr erwarten zu dürfen. Weiterhin kann man hierzu auch Zustimmungen und schriftliche Stellungnahmen auf der Parlamentsseite abgeben, um dem Anliegen mehr Gewicht zu verleihen. Falls das Bundesheer sich dazu entscheidet, auch veganen Soldat:innen ihr Recht zuzugestehen, dann könnte das auch als Vorbild für sämtliche andere öffentlichen Einrichtungen dienen und wie Dominosteine die Menüoptionen in ganz Österreich anpassen.
Zum Abschluss auch ein Ausblick in die Ukraine. Ich begann nur einige Tage nach der Invasion Russlands mit dem Sammeln der ersten Unterschriften, dementsprechend war ein häufiges Gegenargument, dass es zurzeit wichtigere Probleme gäbe und andere Baustellen beim Bundesheer, welche behoben werden müssten.
Im Oktober durfte ich die ukrainische Tierrechtsaktivistin Tamara Human treffen, Gründerin von Every Animal, eine Organisation, welche sich aus Anonymous for the Voiceless Ukraine herausgebildet hat. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, vegane Soldat:innen im Einsatz so gut wie möglich mit pflanzlichen Wochenrationen zu versorgen, welche auch bei Nicht-Veganer:innen gut ankommen. Auch sie haben eine ähnliche Initiative gestartet und die geforderte Anzahl von 25.000 Unterschriften (!) erreicht – und auch sie warten jetzt den politischen Ablauf ab.
ROLAND FALTEJSEK war 2010 Einjährig-Freiwilliger beim Österreichischen Bundesheer und ist seit 2013 Berufssoldat bei der Garde, wo er seit 2021 als Zugskommandant tätig ist. Seit 2020 lebt er vegan und hat 2022 die Bürger:innen-Initiative zur Einführung einer pflanzlichen alternativen Verpflegungsoption gestartet.