Spanien scheitert an der Vermögenssteuer
Die SPÖ befindet sich bereits im Wahlkampf für die Nationalratswahl im Herbst. Kürzlich gab Parteichef Andreas Babler hierzu die 24 Ideen für Österreich der SPÖ bekannt, mit denen er die Wählerstimmen der Österreicher:innen anziehen will. Neben Ideen zu Wohnen, Gesundheit und Arbeitsmarkt findet sich unter den 24 Ideen für Österreich auch erneut die Forderung der Einführung einer neuen Vermögenssteuer für Millionär:innen. Diese ist ein essenzieller Bestandteil des Wahlprogramms der Partei – denn laut der SPÖ bringt eine Millionärssteuer in Österreich zwischen 5 und 6 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen. Viele der 23 anderen Ideen für Österreich lassen sich überhaupt nur damit finanzieren.
„Damit hätten wir 100 Millionen Euro pro Woche, um Politik für die Mehrheit in unserem Land zu machen.“
Andreas Babler (SPÖ)
Die Forderung nach einer Vermögenssteuer für Österreich ist innerhalb der Europäischen Union ist jedoch ungewöhnlich. Denn von den 27 EU-Mitgliedstaaten erhebt – anders als von Andreas Babler in der Vergangenheit behauptet – nur ein einziges Land aktuell eine Vermögenssteuer auf das Nettovermögen seiner Bevölkerung: Spanien. Und selbst hierbei handelt es sich nur um eine zeitlich begrenzte Vermögenssteuer. Die „temporäre Solidaritätssteuer auf große Vermögen“ (spanisch: ITSGF) wurde nur für zwei Jahre beschlossen und soll mit Ende 2024 erneut evaluiert werden. Und möglicherweise wieder abgeschafft.
Mit ihr sollten große Vermögen an den Folgen von Pandemie und Inflationskrise beteiligt werden. Die spanische Vermögenssteuer besteuert Immobilien, Bankguthaben, Investments, Lebensversicherungen, bestimmtes geistiges Eigentum, Schmuck, Automobile, Boote etc. Vermögende Menschen müssen jedes Jahr mit Stichtag 31. Dezember auf komplexe und oft teure Weise herausfinden, was ihre unterschiedlichen Vermögenswerte exakt wert sind. Die Steuer ist personenbezogen (keine Vermögenssteuer auf Unternehmen) und bezieht das weltweite Vermögen der Steuerzahler:innen mit ein.
Die mit 1. Jänner 2023 in Kraft getretene spanische Vermögenssteuer greift ab einem Nettovermögen von 3 Millionen Euro mit einem Steuersatz von 1,7 Prozent und erreicht ab einer Höhe von ca. 10,7 Millionen Euro Nettovermögen ganze 3,5 Prozent. Damit zählt sie zu den höchsten Vermögenssteuern der jüngeren Geschichte. Das SPÖ-Modell zur Vermögenssteuer sieht beispielsweise nur einen Steuersatz von 0,5 Prozent ab 1 Million Euro vor, der erst ab einer Höhe von 50 Millionen Euro Nettovermögen auf einen Steuersatz von 2 Prozent anwachsen würde.
Vermögenssteuer: Prognosen vs. Realität
Mit einer Bevölkerung von 48,6 Millionen Menschen ist Spanien um ca. 5,3-mal bevölkerungsreicher als Österreich. Trotzdem ist man in Spanien realistischer, was das zu erwartende Aufkommen einer Vermögenssteuer angeht. Das Finanzministerium in Madrid ging davon aus, dass lediglich 23.000 Spanier:innen mit steuerlichem Hauptwohnsitz im Land genug Vermögen besitzen, um die Steuer zu bezahlen. Dadurch würden sich in der viertgrößten Volkswirtschaft der EU Einnahmen in Höhe von ca. 1,5 Milliarden Euro erzielen lassen. Inzwischen sind die tatsächlichen Zahlen für das Jahr 2023 bekannt: 12.000 Steuerzahler:innen waren betroffen – und sorgten für nur 623 Millionen Euro an Steuereinnahmen.
Was war geschehen? Die Prognosen aus dem regierungsnahen, akademischen Elfenbeinturm lagen falsch. Wie beim Beispiel des 7,5-mal bevölkerungsreicheren Frankreich, das über ein Drittel mehr Millionär:innen pro Kopf verfügt als Österreich, zeigt sich auch im Vergleich zum Praxisbeispiel Spanien, dass die von der SPÖ behaupteten 5 bis 6 Milliarden Euro mit einer Vermögenssteuer in Österreich niemals erzielbar sind. Frankreich und Spanien geben uns wichtige Erfahrungswerte, anhand derer Österreich bei dieser Thematik Lehren ziehen sollte. Eine Vermögenssteuer in unserem Land würde in Wahrheit einen Bruchteil der behaupteten Steuereinnahmen einbringen, aber dafür unverhältnismäßig viel Wirtschaftswachstum, Investitionen und Beschäftigung kosten. Dass eine Vermögenssteuer insgesamt schnell ein Minusgeschäft sein kann, zeigen auch Berechnungen von EcoAustria oder des ifo-Instituts.
Das Institut EcoAustria geht davon aus, dass die Investitionen in Österreich aufgrund der Vermögenssteuern um 5 Prozent sinken würden, was negative Auswirkungen auf die Beschäftigung und die wirtschaftliche Wertschöpfung hätte. Bis zum Jahr 2030 könnte dies zu 10.000 zusätzlichen Arbeitslosen führen und langfristig zu 20.000. Die Einkommen würden bis 2030 um 1,4 Prozent weniger steigen und langfristig um 2,5 Prozent. Diese verminderte Entwicklung von Beschäftigung und Löhnen würde zu niedrigeren staatlichen Einnahmen aus der Einkommensteuer, den Lohnsummensteuern und den Sozialversicherungsbeiträgen führen. Die Behauptung der SPÖ, dass von der Vermögenssteuer ausschließlich die reichsten Haushalte betroffen wären, ist volkswirtschaftlich nicht haltbar.
Steuerexperimente scheitern an der Realität
Spanien liefert uns jedoch nicht nur praktische Anhaltspunkte zur Vermögenssteuer. Die Regierung des Landes führt aktuell gleich mehrere Steuerexperimente durch, von denen Österreich lernen kann. Die viertgrößte Volkswirtschaft der EU erhebt seit 2021 auch eine Finanztransaktionssteuer, Übergewinnsteuern für Banken und Energiekonzerne und eine Digitalsteuer. Die Diskrepanz zwischen prognostizierendem akademischem Elfenbeinturm und der Realität kann sich sehen lassen: Im Durchschnitt hat Spanien durch alle diese Steuern gerade Mal ein Viertel der vorher angenommenen Steuern eingenommen.
Wie sehr sich diese Steuerexperimente auf die spanische Wirtschaft auswirken, lässt sich aktuell noch schwer sagen. Es zeigt sich jedoch, dass diese Experimente rechtlich auf wackeligen Beinen stehen. So kam die neue Vermögenssteuer als Reaktion auf die Abschaffung bzw. Reduzierung der regionalen Vermögensbesteuerung durch Regionen wie Madrid, Andalusien und Galizien. Manche der spanischen Regionen erheben eine progressive Vermögenssteuer, die von 0,16 bis zu 3,75 Prozent reicht und einen Steuerwettbewerb erzeugt und nun auf die nationale Vermögenssteuer angerechnet wird. Gegen das Steuerexperiment der Übergewinnsteuern klagten Bankenverbände, Energiekonzerne sowie Banken, da diese Umsätze besteuern würde und nicht die tatsächlich erzielten Gewinne.
Spanien hat diese Steuerexperimente jedoch eigentlich gar nicht notwendig. Unter den großen Volkswirtschaften der EU steht das Land mit 2,5 Prozent Wachstum aktuell an der Spitze in Sachen Wirtschaftswachstum und Erholung der Wirtschaft nach Pandemie und hoher Inflation. Innerhalb der EU verzeichnete ausschließlich Malta im Jahr 2023 ein noch höheres Wachstum. Ausschlaggebend hierfür sind der starke Tourismus sowie der Covid-Wiederaufbaufonds der Europäischen Union, der Spanien hinter Italien am zweitmeisten finanzielle Mittel bereitstellte und die öffentlichen Ausgaben auf ein um 11 Prozent höheres Niveau als vor der Pandemie anhob.
Reformen statt Steuerexperimente
Am Beispiel Spaniens zeigt sich erneut, dass es sich bei der Vermögenssteuer nur um ein populistisches Steuerexperiment handelt, das in der Praxis niemals die von der SPÖ behaupteten Steuereinnahmen liefern kann. Das bedeutet auch, dass einige der Ideen für Österreich der Partei ganz einfach unfinanzierbar sind. Die negativen Folgen einer Vermögenssteuer auf Wirtschaft und Beschäftigung werden in der Diskussion weiterhin vollkommen ausgeblendet. Stattdessen wird behauptet, man könne mit dieser Steuer finanzielle Mittel herbeizaubern, um das SPÖ-Wahlprogramm zu finanzieren.
Österreich hat jedoch nicht den Luxus, seine Wirtschaft Steuerexperimenten auszusetzen. Die Europäische Ratingagentur entzog Österreich kürzlich die Bestnote „AAA“ und stufte das Land aufgrund schlechter werdender fiskalischer Kennzahlen, wie z.B. dem Budgetdefizit oder demografischer Kennzahlen, hinunter. Der Ausblick der Ratingagentur steht zudem nun auf „negativ“ statt „stabil“. Damit schloss sich die europäische Ratingagentur den Einschätzungen der großen US-amerikanischen Ratingagenturen S&P, Moody’s und Fitch an, die Österreich bereits in den vergangenen Jahren jeweils die Bestnote entzogen hatten.
Aufgrund der großen Herausforderungen, die Österreich dabei bevorstehen, den demografischen Wandel und das hohe Budgetdefizit zu meistern, kann es sich aktuell keine solchen Steuerexperimente erlauben. Auch die populistische Forderung danach in Wahlkampfzeiten ist unangebracht. Stattdessen sollte man Lehren aus anderen Ländern ziehen. Was unser Land braucht, ist mutiger Reformwille und keine Steuerexperimente, die in den letzten Jahren in gleich mehreren Ländern gescheitert sind.
LUKAS LEYS ist Unternehmer, Gründer des Legal-Tech-Startups kontractory und Betreiber der Plattformen immobily.io, mietrecht.ai und gmbh.legal. Ihn treibt ein starkes Interesse am technologischen Fortschritt und an den gesellschaftlichen Auswirkungen, die diese mit sich bringen wird. Sein Schwerpunkt liegt auf Blockchain-Technologie, Smart Contracts und dem Metaverse.