Vermögenssteuer: Die populistische Scheinlösung
„Es ist so eine Schweinerei, wie schwach wir als Sozialdemokratie waren, dass wir einen Kanzler gestellt haben und das nicht zur Koalitionsbedingung gemacht haben“ kritisiert der neue SPÖ-Chef Andreas Babler – der übrigens Chef derselben Partei ist, die die Vermögenssteuer im Jahr 1993 abschaffte bzw. gerichtlich aufheben ließ. Seit seiner Wahl wird in der politischen Landschaft wieder über ein Thema gesprochen, das wieder zur roten Koalitionsbedingung wird: Die Vermögenssteuer.
Während sich in Österreich die Debatte um einen fairen Beitrag der Vermögenden bewegt, empfiehlt sich sowohl ein Blick in die Vergangenheit als auch ins Ausland, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie diese Steuer eigentlich in der Realität funktioniert. Denn entgegen den immer wieder argumentierten Effekten so einer Steuer ist diese in der Praxis auch heute noch oft ein Minusgeschäft: Bis auf Spanien gibt es daher aktuell kein Land in der EU, das diese Steuer überhaupt noch einhebt.
Die Argumente, die für diese Steuer sprechen würden, werden gerne nur sehr oberflächlich diskutiert, während die Risiken und Nachteile davon unterschlagen werden. Durch die Vermögenssteuer-Experimente anderer Länder in den letzten Jahren lässt sich jedoch ableiten, dass wir diese Steuer in Österreich – abseits von politischer Meinungsmache – in Wirklichkeit gar nicht wollen und brauchen.
Vermögenssteuer in Theorie …
Unbestritten ist, dass sich diese Steuer in Österreich großer Beliebtheit erfreut. So würden laut einer SORA-Studie gleich zwei Drittel der Bevölkerung des Landes eine Vermögenssteuer befürworten. Das ist verständlich – denn eine Vermögenssteuer würde ja in der Theorie bedeuten, dass jene, die viel haben, endlich mehr bzw. einen fairen Beitrag zahlen würden. Mehr Gerechtigkeit, weniger Ungleichheit!
Gleichzeitig hätte der Staat dann mehr Geld für wichtige Zukunftsinvestitionen zur Verfügung. Man müsste dazu nur ganz einfach allen Menschen, die mehr als einen bestimmten Betrag an Vermögen besitzen, einen kleinen Prozentsatz davon abziehen. So es einfach wäre es – wenn man den Befürworter:innen dieser Steuer Glauben schenkt.
… und Praxis
Das dachten auch die Verantwortungsträger in Norwegen – und führten erst 2022 kurzerhand eine neue „geringe Vermögenssteuer“ ein, die sich zwischen 0,7 und 1,1 Prozent bewegte. Das Resultat: der größte Exodus vermögender Menschen aus Norwegen in andere Länder und hunderte Millionen an verlorenen Steuereinnahmen – vielleicht sogar Milliarden.
Daran ist beachtlich, dass es sich in diesem Fall nicht um die Einführung einer neuen Vermögenssteuer handelte, wie man es sich in Österreich aktuell wünscht: Es wurde lediglich die bereits bestehende Steuer erhöht und ausgeweitet. Doch anstatt damit „mehr Gerechtigkeit“ und Steuereinnahmen zu erzielen, wird die Vermögensteuer dort vermutlich mehr kosten, als sie einbringt. Den Schaden dieser Steuer müssen nun alle übrig gebliebenen Steuerzahler:innen des Landes tragen.
Vermögenssteuer? Welche?
Das Beispiel Norwegen ändert aber nichts an unserer politischen Debatte – Österreich diskutiert weiterhin oberflächlich und populistisch. Gefordert wird auch hier eine Steuer auf Vermögen in vergleichbarer Form zu Norwegen, unter anderem von der SPÖ, der Gewerkschaft GPA, der Arbeiterkammer und dem Momentum Institut. Alle davon bieten verschiedene Konzepte dazu an, wie diese Steuer aussehen soll – eine wirklich detaillierte Erklärung dazu, wie diese Steuer in der Praxis funktionieren soll, sucht man aber vergeblich.
Wie werden die Vermögen der gesamten Bevölkerung festgestellt und bewertet? Welche Bewertungsmethoden werden für unterschiedliche Vermögenswerte angewandt? Welche Kosten sind damit verbunden, die Vermögenssteuer einzutreiben? Wer führt die Prüfungen und Bewertungen der Vermögen durch? Wie wirkt sich das alles auf die Privatsphäre der Bürger:innen aus? Welche rechtlichen Fragestellungen sind gegeben?
Offenbar ist es nicht erwünscht, die Realität und komplexen Folgen einer Vermögenssteuer öffentlich zu sehr im Detail zu besprechen. Stattdessen geistert das Gespenst „Steuer auf Vermögen in Höhe von x% ab € y Millionen Freibetrag ergibt z“ herum. Betriebsvermögen wären ausgenommen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.
Basierend auf dieser simplen Rechnung ergeben sich unterschiedliche Höhen an Steuereinnahmen, die man sich hiervon erwartet, ohne auf deren Berechnung genauer einzugehen. Welche Auswirkungen diese Steuer auf die Menschen im Land, andere Steuerquellen oder die Wirtschaft insgesamt hätte, wird dabei in der Regel unterschlagen – eine oberflächliche Rechnung reicht anscheinend aus, um sich populistisch in die politische Arena zu begeben. Basierend auf Annahmen.
Eine unehrliche Debatte
Wer die Vermögenssteuer befürwortet, verwendet in der Debatte gerne nur sehr simple Berechnungen, die die Realität ignorieren. Häufig wird ganz einfach verschwiegen, dass sich so eine Steuer auf viele Wirtschaftsbereiche auswirkt, Ausweicheffekte erzeugt, den Wirtschaftsstandort schädigen kann und sich so auch auf die Einnahmen aus anderen Steuerquellen auswirkt.
Eine Studie des ifo Institut und EY etwa berechnet den Fall einer vergleichbaren Vermögenssteuer in Höhe von nur einem Prozent bei einem Freibetrag von einer Million Euro für Deutschland. Der deutsche Finanzminister würde damit zwar 17,4 Milliarden mehr einnehmen – es würde aber u.a. durch die ökonomischen Kosten und Verhaltensanpassungen gleichzeitig zu einem Verlust von 66 Milliarden an anderen Steuerquellen kommen: etwa Einkommens-, Mehrwert- und Kapitalertragsteuer. Deutschland würde durch die Vermögenssteuer am Ende also 48,6 Milliarden Euro an Steuereinnahmen verlieren.
Diese Seite der Medaille wird in der unehrlichen Debatte rund um eine Vermögenssteuer in Österreich aber gerne ausgeblendet – sie wird nur in Isolation betrachtet. Dabei wäre sie eine komplexe Angelegenheit, die von ihren Befürworter:innen aber allzu gerne als simple Lösung dargestellt wird. Ihr wird zugeschrieben, geradezu magisch gegen Ungleichheit zu funktionieren und die ärmeren Bevölkerungsteile profitieren zu lassen. So sieht Markus Marterbauer – der Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Arbeiterkammer Wien – sogar ein Ende der gesamten manifestierten Armut, wenn man nur eine Vermögenssteuer von 1,5 Prozent in Österreich hätte und damit ca. 2,55 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen lukrieren könnte.
Unverständlich bei dieser Argumentation: Österreichs Steuereinnahmen erreichten im Jahr 2022 ein Rekordhoch von 127,22 Milliarden Euro. Das bedeutet, die Steuereinnahmen erhöhten sich im Vergleich zu 2021 um satte 13,23 Milliarden Euro (+11,6 %) – also mehr als das Fünffache der von Marterbauer angeführten Summe. An der manifestierten Armut im Land hat sich jedoch dadurch kaum etwas verändert.
Wir leben in einer Volkswirtschaft
Darüber hinaus wird auch das Argument bedient, dass ja das hierzulande gewünschte Modell mit einem Freibetrag in Höhe von einer Million Euro nur 4 Prozent der Haushalte in Österreich betreffen würde. Was bei diesem Argument schlicht und einfach verschwiegen wird: Wir leben in einer Volkswirtschaft. Und in einer Volkswirtschaft hängen Dinge miteinander zusammen. Es ist nicht möglich zu argumentieren, dass nur ein bestimmter Bevölkerungsteil davon betroffen sei und die anderen 96 Prozent keine direkten oder indirekten Auswirkungen einer Vermögenssteuer spüren würden.
Das Geld, das für eine Vermögenssteuer bezahlt wird, muss letztendlich irgendwo herkommen. Und im Fall von vermögenden Menschen, die nicht an Substanz verlieren wollen, kommt dieses Geld zu einem signifikanten Anteil aus Geldern, die aus Immobilien und Unternehmen erzeugt werden. Ein bereits hoch versteuertes Einkommen von Immobilieneigentümer:innen oder Unternehmer:innen würde nun also zusätzlich mit einer Vermögenssteuer belastet – und kostet trotz ihrer augenscheinlich geringen Höhe von beispielsweise einem Prozent einen sehr großen Anteil der Einkommen.
Werden beispielsweise die Einnahmen aus einer Immobilie, die eine Nettorendite von 3,5 Prozent aufweist, zur Bezahlung der Vermögenssteuer verwendet, so reduziert sich durch eine Vermögenssteuer von nur einem Prozent die Rendite der Immobilie um fast ein Drittel. Wünscht man sich hingegen eine Vermögenssteuer in Höhe von 2 Prozent, verlieren betroffene Immobilieneigentümer:innen mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus dieser Immobilie. Selbst eine „geringe Besteuerung von Vermögen“ funktioniert letztendlich wie eine signifikante Erhöhung der Einkommensteuer. Die Auswirkungen davon auf den österreichischen Immobilienmarkt und die Mieten werden auch Menschen zu spüren bekommen, die keine Vermögenssteuer bezahlen. Wir leben schließlich in einer Volkswirtschaft.
Vermögenssteuer hemmt Wachstum und Investitionen
Diese Problematik wird umso größer, wenn es um die Unternehmenseigentümer:innen im Land geht. Viele von ihnen erzielen ihre Einkommen aus ihren Unternehmen. Diese würden in Zukunft basierend auf der Bewertung ihres Unternehmenswerts der Vermögenssteuer unterzogen. Damit die Privatperson diese Steuer bezahlen kann, muss also Geld aus dem Unternehmen entnommen werden. Dadurch wären auch österreichische Unternehmen von Vermögenssteuern betroffen, auch wenn die vorgeschlagenen Modelle von AK, GPA oder SPÖ behaupten, dass Betriebsvermögen „ausgenommen“ wären. Das wird letztendlich nur vorgeschlagen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Unternehmen sind selbstverständlich durch Vermögenssteuern ebenso auf unterschiedlichen Wegen betroffen.
Viele Unternehmenseigentümer:innen werden die Vermögenssteuer mit Geld, das sie ihren Unternehmen entziehen müssen, bezahlen. Dieses Geld fehlt dann dementsprechend im Unternehmen und kann nicht für Investitionen in Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze verwendet werden. Die Belastung kann dabei für das einzelne Unternehmen sehr hoch sein, obwohl die prozentuale Höhe der Vermögenssteuer augenscheinlich gering wirkt. Wer eine Vermögenssteuer einführt, riskiert die Verlagerung von vermögenden Personen und Unternehmen ins Ausland. Genau jene Vermögenden, die man damit eigentlich besteuern will. Wer nur ein bisschen hat, wird diese Möglichkeit kaum haben. Das bedeutet geringere Investitionen am Wirtschaftsstandort – und macht das Land zudem unattraktiv für Start-ups, die auf ihre Liquidität achten müssen.
Der Unternehmer Tord Ueland Kolstad, ein Investor für Handelsimmobilien und Lachszucht aus Norwegen, ist einer von jenen vermögenden Menschen, die Norwegen verlassen haben, nachdem die Vermögenssteuer erhöht wurde. Er hat die persönlichen Folgen dieser Erhöhung öffentlich vorgerechnet: Um die norwegische Vermögenssteuer bezahlen zu können, muss Kolstad jährlich eine Summe von 10 Millionen norwegischen Kronen aus seinen Unternehmen an sich selbst auszahlen. Davon geht ein Teil in die dort kürzlich ebenso erhöhte Dividendenbesteuerung. Was anschließend davon übrig bleibt, geht an die Vermögenssteuer. Auf diese Weise zeigt sich, wie Unternehmen auch dann betroffen sind, wenn sie offiziell von der Vermögensbesteuerung ausgenommen sind.
Kolstad hat seinen Lebensmittelpunkt nun in ein anderes Land verlegt und mit ihm einen Teil der Wirtschaftskraft, die er zuvor für Norwegen leistete. Damit könnten sich auch die Einnahmen aus anderen Steuerquellen, wie z.B. Einkommensteuer, Lohnsteuer, Unternehmensbesteuerung oder Umsatzsteuer, die durch Kolstads Unternehmen bezahlt wurden, verringern. Von den Folgen der Vermögenssteuer sind eben auch Menschen betroffen, die nicht von der Steuer selbst betroffen wären. Man stelle sich an dieser Stelle vor, welche Auswirkungen eine Vermögenssteuer beispielsweise auf das hoch bewertete Unternehmen Red Bull hätte: Anders als viele andere Konzerne zahlt dieser seine Steuern nicht über diverse Konstruktionen im Ausland, sondern in Österreich.
Wollen wir wirklich eine Vermögenssteuer?
Die Debatte rund um die Vermögenssteuer in Österreich wird nach wie vor sehr einseitig und oberflächlich geführt. Wesentliche Bestandteile ihrer gewünschten Funktionsweise sind unbekannt. Die Auswirkungen der Steuer auf unterschiedlichste Wirtschaftsbereiche werden nicht diskutiert. Erfahrungswerte aus der Vergangenheit und aus anderen Ländern werden ignoriert.
Abseits einer oberflächlich und unehrlich geführten Debatte mangelt es an positiven Beispielen dafür, dass eine Vermögenssteuer tatsächlich das liefert, was ihre Befürworter:innen von ihr behaupten. Statt einer faireren Verteilung der Lasten könnte es sehr wahrscheinlich auch hierzulande in einem Minusgeschäft enden und den Wirtschaftsstandort schwächen. In Zeiten, in denen Österreich nachhaltig an Wettbewerbsfähigkeit verliert, sind Debatten um neue Steuern, die komplex und teuer in der Umsetzung sind und unsere Wirtschaft noch weiter zu belasten drohen, unangebracht.
Österreich mit seinen gerade mal 49 Milliardär:innen und geografischer Nähe zur Schweiz sollte keine Situation wie in Norwegen riskieren. Abgesehen von Klassenkampf-Rhetorik von Parteien, die so auf Stimmenfang gehen, existiert keine echte Notwendigkeit für eine ineffiziente Steuer mit unklaren wirtschaftlichen Folgen, die in den letzten Jahren in mehreren Ländern gescheitert ist. Österreich ist kein Land, das solche Steuerexperimente benötigt, sondern ein Land, das bereits Steuereinnahmen in Rekordhöhe erzielt, Geld mit der Gießkanne austeilt und ein großes Einsparpotenzial besitzt, das es nicht ausnutzt.
Statt eine hochkomplexe neue Steuer einzuführen, sollten wir schnell und einfach durchführbare Einsparungen vornehmen und die hohe Belastung auf den Faktor Arbeit im Land damit reduzieren. Reformen in diese Richtung funktionieren wesentlich effizienter und lassen sich basierend auf vielen Erfahrungswerten aus den Steuerreformen der letzten Jahre umsetzen. Dafür benötigt es Reformwillen – und keine Wiederbelebung einer seit Jahrzehnten abgeschafften Steuer.
LUKAS LEYS ist Unternehmer, Gründer des Legal-Tech-Startups kontractory und Partner bei der Crypto-Agentur Validvent. Ihn treibt ein starkes Interesse am technologischen Fortschritt und an den gesellschaftlichen Auswirkungen, die diese mit sich bringen wird. Sein Schwerpunkt liegt auf Blockchain-Technologie, Smart Contracts und dem Metaverse.