Vermögenssteuern: Eine Geschichte des Scheiterns
Die Linke diskutiert wieder über eine Vermögenssteuer – und ignoriert dabei in gewohnter Weise den Rest der Welt. Denn Reichen- und Vermögenssteuern sind in den letzten Jahrzehnten in den meisten Ländern aus gutem Grund verschwunden.
Wer Vermögenssteuern gut findet, bräuchte nur einen internationalen Rundruf starten. Denn obwohl viele Menschen die Idee sympathisch finden – sie hört sich immerhin nach mehr Einnahmen an, die man selbst nicht zahlen muss –, gibt es kaum gute Erfahrungen mit dieser Art von Steuer. Das zeigen internationale Beispiele, von denen Österreich lernen sollte.
In Europa erheben aktuell nur noch drei Länder jährlich Steuern auf das Nettovermögen ihrer Bürger:innen: Spanien, Norwegen und die Schweiz. Sie bieten gute Beispiele dafür, dass Vermögenssteuern abseits vom akademischen Elfenbeinturm nicht gut funktionieren: Die Schweiz hebt die Steuer nur im Promillebereich ein und ist ansonsten großzügiger mit dem Einkommen ihrer Bevölkerung.
In mehreren anderen europäischen Ländern konnte man in den letzten Jahren fehlgeschlagene Experimente mit Reichen- und Vermögenssteuern beobachten. Sie alle hatten Folgendes gemeinsam: Die zuvor berechneten Steuereinnahmen realisierten sich nicht. Stattdessen endeten alle davon als Minusgeschäft für den Staat und dessen Steuerzahler:innen. Die komplexen Effekte einer Vermögenssteuer wurden falsch eingeschätzt. Am Ende wurden die Vermögenssteuern nach nur kurzer Zeit wieder abgeschafft oder stark reduziert.
Verlustrechnung im Vereinigten Königreich
Die Regierung unter Premier Gordon Brown wollte die Reichen im Vereinigten Königreich nach der Finanzkrise stärker zur Kasse bitten und erzielte am Ende das genaue Gegenteil davon. Nach einer Steuererhöhung, die prominent als „Reichensteuer“ beworben wurde, verschwanden fast zwei Drittel der Einkommensmillionäre und mit ihnen ihre Steuerzahlungen. Der Verlust für den britischen Finanzminister wurde auf 6,9 Milliarden Pfund beziffert.
London hatte seine Reichen damit vertrieben. Hierbei handelte es sich nicht um eine klassische Vermögenssteuer, sondern um eine klar auf vermögende Personen abzielende Steuer durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf Einkommen. Diese hatte zur Folge, dass von ursprünglich 16.000 Einkommensmillionären plötzlich nur noch 6.000 existierten – an den benötigten Steuereinnahmen des Landes änderte sich aber nichts. Die Differenz der verlorenen Steuereinnahmen mussten die übrig gebliebenen Steuerzahler:innen stemmen. Die Reichensteuer traf also letztendlich alle im Land, aber nur wenige Reiche. An diesem Beispiel zeigt sich, dass Reiche mehr Steuern gezahlt hätten, wenn es keine Reichensteuer gegeben hätte: eine wichtige Lektion in der modernen Welt, in der Kapital mobil ist.
Frankreich nimmt Vermögenssteuer zurück
Nur wenige Jahre später hat auch der vormalige europäische Spitzenreiter in Sachen Vermögensbesteuerung – Frankreich – seine Impôt de solidarité sur la fortune reformiert: Die französische Vermögenssteuer belastete die Einkommen der vermögenderen Bevölkerungsteile signifikant und vertrieb viel Kapital ins Ausland. Seit 2018 wird diese Steuer nur noch auf gewisse Immobilienvermögen angewandt, mit dieser Maßnahme hoffte die Regierung, unter François Hollande und zuvor abgewanderte Personen mit ihren Vermögen zurück ins Land holen zu können. Über 60.000 Millionäre haben dem Land zwischen 2000 und 2016 den Rücken gekehrt.
Es zeigte sich eine weitere Problematik mit der Vermögenssteuer: Selbst in einem großen und reichen Land wie Frankreich erreichte eine Vermögenssteuer zwischen 0,5 und 1,5 Prozent ab einem gewissen Freibetrag letztendlich nur eine Summe von ca. 5 Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Um diesen Betrag einzunehmen, mussten auch viele Menschen, die zwar rechnerisch über Kapital verfügten, aber gleichzeitig kein hohes Einkommen hatten, tief in die Tasche greifen. Das betraf jede fünfte Person, die Vermögenssteuer zahlen musste. Ein Beispiel, wie ineffizient diese Steuer sein kann.
Im Jahr 2017 war Schluss mit der gezielten Besteuerung von vermögenden Personen und der damit verbundenen Stimmungsmache. Investitionen in Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum, die Frankreich durch die gezielte Besteuerung von Reichen verloren gingen, sollten durch die Abschaffung der Vermögenssteuer wieder angezogen werden. Denn auch in Frankreich erzielte die Besteuerung von Reichen in Wirklichkeit einen Milliardenverlust und erzeugte insgesamt mehr Schaden als Nutzen. Das Wirtschaftswachstum schrumpfte, Unternehmen wurden ins Ausland verlegt, Arbeitsplätze verschwanden, und die Steuereinnahmen verringerten sich.
Norwegen erhöht die Vermögenssteuern – und verliert seine Reichen
Das aktuellste Beispiel für eine Vermögenssteuer ist Norwegen, das 2022 damit begann, bereits bestehende Vermögenssteuern zu erhöhen und auszuweiten. Die Besteuerung auf Vermögen greift dort nun bereits bei umgerechnet ca. 160.000 Euro Nettovermögen und wurde auf bis zu 1,1 Prozent erhöht, während gleichzeitig die Dividendenabgabe um 6 Prozent erhöht und Abzugsmöglichkeiten für Aktien reduziert wurden.
Das Ergebnis: In Norwegen geschieht ein nie gekannter Exodus der Reichen – und damit des Vermögens, das man eigentlich besteuern wollte. Und obwohl als Reaktion darauf die Regelungen der sogenannten Wegzugsbesteuerung gegen Kapitalflucht verschärft wurden, ist diese Entwicklung weiter im Gange. Statt den gewünschten – und vorher berechneten – Mehreinnahmen, die zur Bekämpfung der Inflation und der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie eingesetzt werden sollten, erlebt die norwegische Regierung den Verlust von bisher rund 40 Milliardär:innen und Multimillionär:innen. Viele davon werden dem Land vermutlich dauerhaft den Rücken kehren.
Die anfangs als gering verkaufte Steuer auf Vermögen von nur 0,7 bis 1,1 Prozent wirkte sich stark auf die betroffenen Personen aus und verleitete viele zum Wegzug. Für Norwegen könnte dies nun statt einem höheren Beitrag von vermögenden Menschen insgesamt einen Verlust an Steuereinnahmen bedeuten. Die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft insgesamt könnten einen Milliardenschaden zur Folge haben. Mindestens NOK 600 Milliarden (€ 51,91 Milliarden) an Vermögen hat das Land verlassen und wird in Zukunft keine Vermögenssteuern mehr bezahlen. Andere zusätzlich davon betroffene Steuerquellen, wie Einkommenssteuer, Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Steuern auf Kapitalvermögen, Unternehmenssteuern werden ebenso davon betroffen sein.
Österreich ignoriert internationale Beispiele
Nicht nur in Norwegen ergibt sich durch die Einführung von Vermögenssteuern ein Loch im Budget – und das Jahr für Jahr. Getragen werden muss dieses Budgetloch nun von vielen der Steuerzahler:innen, die ja eigentlich von der Vermögenssteuer gar nicht betroffen wären. Aber in einer Volkswirtschaft, in der alle miteinander zu tun haben, funktioniert dieses isolierte Denken nicht: Am Ende zahlen wir alle, wenn politische Maßnahmen nicht greifen.
Die Evidenz zeigt, dass Vermögenssteuern genau so eine Maßnahme sind. Das hält den neuen SPÖ-Chef aber nicht davon ab, sie wieder lautstark zu fordern. Im österreichischen Diskurs werden nicht nur die zahlreichen Negativbeispiele ignoriert, sondern auch die praktischen Probleme bei der Ausgestaltung aller möglichen Policy-Vorschläge. Das bringt am Ende vielleicht eine Abwanderung der Reichen. Aber nicht mehr Steuereinnahmen. International sucht man vergeblich nach positiven Beispielen einer wirklich funktionierenden Vermögenssteuer. Das gilt besonders für den Fall, wenn Staaten ihren Steuerzahler:innen bereits eine hohe Steuerlast abverlangen.
Nicht ohne Grund wurde auch die österreichische Variante 1993 abgeschafft. Und zwar von genau der Partei, die sie heute wieder lautstark fordert: der SPÖ.
LUKAS LEYS ist Unternehmer, Gründer des Legal-Tech-Startups kontractory und Partner bei der Crypto-Agentur Validvent. Ihn treibt ein starkes Interesse am technologischen Fortschritt und an den gesellschaftlichen Auswirkungen, die diese mit sich bringen wird. Sein Schwerpunkt liegt auf Blockchain-Technologie, Smart Contracts und dem Metaverse.