Wo der Diskurs zur Ukraine in Österreich abgedriftet ist
Wenn man sich die Positionen von Politikerinnen und Politikern zu Russlands Aggression gegen die Ukraine anschauen will, empfiehlt es sich, gewisse Termine im Kopf zu haben. Ein heißer Tipp diesbezüglich ist zum Beispiel der Februar/März 2022 und die Frage, welche Statements unmittelbar vor und nach der Invasion abgegeben wurden. So viel sei verraten – eine Friedenstaube allein sagt nicht sehr viel aus. Besonders wenn der Begleittext den Täter nicht nennt und Krieg nur als etwas Böses beschreibt, das eben so passiert; wie eine Naturkatastrophe.
Die SPÖ-Frauen schreiben am 25. Februar 2022 auf Facebook: „Krieg in Europa. Das Patriarchat erschüttert gerade Europa. Der Angriff auf die Ukraine ist ein Angriff auf die Demokratie.“ Den zweiten Teil des Satzes kann man natürlich voll unterstreichen – die Ukraine ist trotz aller Reformnotwendigkeiten eine Demokratie, der Kreml wollte die Regierung stürzen und das Land mit Gewalt unterwerfen. Was aber den ersten Teil betrifft, wurde hier, wenig empathisch mit dem Opfer, abstrakt das „Patriarchat“ für den Krieg verantwortlich gemacht. Es war aber eben ein ganz konkreter „Vertreter“ des Patriarchats, nämlich Wladimir Putin, der den Befehl zum Angriff gegeben hat.
Weiters steht im Text: „Als Friedensaktivist*innen und Friedensstifter*innen fordern wir von den Kriegstreibern ein Zurückkehren an den Verhandlungstisch.“ Weder Putin noch Russland werden in dem Text genannt. Es geht auch nicht hervor, wer denn die Kriegstreiber sind. Etwa Putin und seine politische Elite? Oder sind etwa doch die „Kriegstreiber beider Seiten“ gemeint? Solche Fragen sollten eigentlich überflüssig sein – besonders wenn die Lage so klar ist, wie sie sich am 24. Februar 2022 dargestellt hat.
Das russische Narrativ dominiert Österreich
Das war nur eine kleine Vorschau auf einen Diskurs, den wir seit längerer Zeit erleben. Der viel zu selten den Angreifer benennt und sich mit Allgemeinplätzen begnügt, statt klar Position zu beziehen. Die Phrase „Wir sind absolut solidarisch mit der Zivilbevölkerung“ wurde zur Chiffre für: „mit der ukrainischen Regierung aber nicht“. Dabei wurde nicht erkannt, dass es gar nicht um Zustimmung für die Innenpolitik der Regierung Selenskyj ging, sondern darum, Solidarität mit einem Land zu zeigen, dessen Nachbar versucht, es zu unterwerfen und die gewählte Regierung mit Gewalt zu stürzen.
Was wir auch seit 2022 unverändert erleben – überall im Westen, aber besonders in Österreich – ist ein Diskurs, der wichtige Dinge oft unerwähnt lässt. Das Leiden der Zivilbevölkerung unter russischer Besatzung und die tägliche genozidale und imperialistische Hasspropaganda in den russischen Staatsmedien, oft geäußert von Regierungsvertretern, werden kaum analysiert und diskutiert. Das gilt nicht nur für die Politik, sondern auch für viele Medienberichte, die sich mehr mit der Situation auf dem Schlachtfeld befassen, als mit der humanitären und politischen Dimension dieses Kriegs. Einen Konsens über das sogenannte Big Picture gibt es immer noch nicht. Wer den russischen Imperialismus im Sinne von „Putin reagierte nur auf NATO-Absichten der Ukraine“ relativieren will, hat es allzu leicht bei uns.
Realismus ist keine Propaganda
Kritisiert man dieses Narrativ, kommt oft der Vorwurf, man würde „NATO-Propaganda“ betreiben. Dabei hat es weniger mit der NATO zu tun als mit einer faktenbasierten Analyse – zu verstehen, dass eine Verhandlungslösung, die nicht die totale Unterwerfung der Ukraine bedeutet, unter Putin alles andere als realistisch ist. Diese Erkenntnis ergibt sich nachvollziehbar aus der Beobachtung der Taten und Worte des Kreml-Regimes, welches seine Maximalforderungen in keiner Weise aufgegeben hat. Russland besetzt (exklusive der Krim) vier Oblaste der Ukraine und will nach wie vor die volle „Denazifizierung“ – was in russischer Denkweise bedeutet, ein Marionettenregime statt der Regierung Selenskyj einzusetzen.
Dabei ist noch nicht einmal klar, ob es bei den vier Oblasten bleibt, weil immer wieder auch Odessa, Dnipro oder Kharkiv als „ur-russische Städte“ ins Spiel gebracht werden. Der ehemalige Präsident und stellvertretende Leiter des Sicherheitsrats Dmitri Medwedew sprach überhaupt kürzlich von einer Ukraine, die nur noch aus der Oblast Lwiw bestehen soll. Die Absicht zu einer „Kompromisslösung“ sieht wohl deutlich anders aus.
Idealistische Wunschträume und die knallharte Realität scheinen bei vielen angeblich „Friedensbewegten“ weit auseinander zu liegen. In vielen Fällen kann man beobachten, wie zum Erhalt des eigenen Weltbilds jede Desinformation und jeder Mythos dankbar aufgenommen und auch weiterverbreitet werden. Nachrichten über Deportationen von Kindern, russische Drohungen gegen Nachbarländer oder Berichte über Folterkammern im Besatzungsgebiet werden als störend empfunden und entsprechend ausgeblendet – oder gar geleugnet.
SPÖ, wie hältst du es mit der Ukraine?
Gehen wir zurück ins Jahr 2023: Nachdem weniger als die Hälfte der sozialdemokratischen Abgeordneten bei der Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Parlament aufgetaucht sind, entstand erstmals ein offener kritischer Diskurs, auch innerhalb der SPÖ. Es wurden daraufhin klar formulierte Positionspapiere zur Ukraine erstellt, die sogar einen Faktencheck zu den Ereignissen vor 2022 enthalten, was in dem Fall beachtenswert ist. Im Antrag vom November 2023 ist auch klar von „Solidarität mit der Ukraine“ und dem Bekenntnis zum Selbsterhaltungsrecht des Staats die Rede – die Solidarität gilt dem Staat, nicht „nur“ der Bevölkerung.
So deutlich die Positionen dieser Papiere auch sind – in den sozialdemokratischen Reden im Nationalrat kommen sie selten vor. Lieber wird über die Wichtigkeit der Neutralität gesprochen oder das jüngst veröffentlichte Risikobild des Verteidigungsministeriums kritisiert. Zumindest die Abgeordnete Petra Bayr forderte im Jänner 2024 in einer Presseaussendung die Einstellung der russischen Raketenangriffe und kritisierte die Zwangseinbürgerungen ukrainischer Kinder in Russland.
Die rote Neigungsgruppe Neutralität
Einer der Funktionäre, der die Haltung dieser Papiere ohnehin wenig verkörpert, ist Alexander Koppensteiner von der SPÖ Landstraße. Auf seiner Facebook-Seite postete er bereits eine Falschmeldung, dass ein ukrainischer Abgeordneter im österreichischen Parlament den Hitlergruß gezeigt habe. Außerdem teilt er Artikel der „Nachdenkseiten“ und immer wieder Akteure wie Daniele Ganser oder Sahra Wagenknecht. Letztere bezeichnet Koppensteiner sogar als „Lichtblick“ für Europa – und ein gewisser Erwin Buchinger, der ehemalige SPÖ-Sozialminister, markiert das mit „Gefällt mir“.
Ebenso ein Like gibt es von Buchinger für Koppensteiners Aussage, dass die neue slowakische Regierung unter dem umstrittenen Ministerpräsidenten Robert Fico ein „Lichtblick“ sei. (Ja, er mag offensichtlich Lichtblicke.) Kompatibel ist diese Haltung weder mit der offiziellen Position der SPÖ noch mit moderner europäischer Sozialdemokratie allgemein. Das betrifft auch Ficos Innenpolitik, von Wagenknecht ganz zu schweigen.
Trotzdem ist Koppensteiner mit dieser Haltung nicht allein, wie die Initiative „Aktiv neutral für Frieden, Sicherheit und Souveränität“ zeigt. Selbstbeschreibung auf Facebook: „Sozialdemokratische Initiative für eine ernsthafte Wiederbelebung der österreichischen Neutralität“. In einem Blog wird die Position zur Ukraine dargestellt, mit einigen sehr interessanten Punkten.
Zwar wird grundsätzlich der russische Angriff verurteilt, es folgen aber einige sehr fragwürdige Positionen, die man als das kennt, was nach der oberflächlichen Verurteilung oft kommt – das große Aber.
„Die klare Positionierung gegen den Krieg und die Verurteilung des Aggressors ersetzen aber nicht eine differenzierte Analyse der Rahmenbedingungen und der Vorgeschichte von Konflikten. Ebenso sind wir der Meinung, dass echte oder vorgegebene moralische Empörung nicht von der Verpflichtung zu analytischem Denken entbindet.“
Wer den Diskurs zu diesem Thema seit 2014 verfolgt, kennt auch die Alarmglocken, die bei solchen Aussagen zu läuten beginnen, wie sich auch in den späteren Aussagen bestätigt:
„Wir glauben, dass die die Auffassung, Russland habe in Bezug auf die militärische Bündnispolitik der Ukraine sowie in Hinblick auf die Stellung der russischsprachigen Bevölkerung innerhalb der Ukraine keinerlei berechtigte Interessen geltend zu machen, nicht nur völlig unrealistisch, sondern auch falsch ist.“
Später heißt es im Text:
„Dass Russland sich um die Stellung der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine sorgt, ist keineswegs illegitim.“
Wer 2024 immer noch glaubt, dass Russland sich um russischsprachige Bürger sorgt, die im ganzen Land verteilt leben (und nicht nur im Osten oder Süden) und in der absoluten Mehrheit nicht von Russland „beschützt“ werden wollen, zeigt schon eine besondere Ignoranz gegenüber der Realität. Es lohnt sich ein Blick auf den gesamten Text, da die Aufzählung aller fragwürdigen Positionen den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Wie bei vielen derartigen Schriften geht es nicht nur darum, was im Text steht, sondern auch darum, was ausgelassen wird: der Terror des Besatzungsregimes, Deportationen von Kindern, Russifizierung, „Ent-Ukrainisierung“ – das wird nicht angesprochen, dafür wird im Einklang mit dem russischen Narrativ die „Sorge“ um die russischsprachige Bevölkerung betont.
Gespaltene SPÖ
Wer in dieser Initiative tatsächlich noch aktiv ist, geht aus der Website nicht hervor. 2022 traf man sich laut einem Bericht der „Solidarwerkstatt“ im Ban-Ki-moon Centre zu einem Austausch. Mit am Tisch saßen unter anderem der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer, Erwin Buchinger und die SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharowits. Ebenso anwesend war David Stockinger, bekannt für Auftritte im weißrussischen Staatsfernsehen und weitere außenpolitische Eskapaden. Im April 2023 ist er, begleitet von massiver medialer Kritik, von seiner Stellung als SPÖ-Chef in Schwechat zurückgetreten.
Stockinger war es auch, der den Bericht zu dem Treffen für die „Solidarwerkstatt“ verfasste. Im Blogbeitrag mit dem Titel „SPÖ Bundesparteitag: Neutralität nicht nur als Lippenbekenntnis!“ heißt es:
Auf dem SPÖ-Bundesparteitag wurden zwei Anträge EINSTIMMIG beschlossen, die die neutralitätsrechtlichen Grundlagen nicht weiter aushöhlen, sondern STÄRKEN sollen. Die betreffenden Anträge, inspiriert von „Aktiv neutral – Sozialdemokratische Initiative für Frieden, Sicherheit und Souveränität“, sorgten für eine nötige Klärung in „für die SPÖ sowie Österreich und seine Neutralität ganz zentralen Fragen“.
In dem Artikel steht auch: „Das Einstimmigkeitsprinzip für Abstimmungen im Rat der EU, wie es im Titel V des EU-V vorgesehen ist, wird von Österreich nicht in Frage gestellt.“ Dazu sind Reden von Wehrsprecher Robert Laimer und Mediensprecherin Muna Duzdar verlinkt.
Das ist insofern interessant, als sich der rote EU-Abgeordnete Andreas Schieder in einer Presseaussendung gegen das Einstimmigkeitsprinzip ausgesprochen hat und auch sonst außenpolitisch eine andere Haltung zu vertreten scheint, z.B. proaktiv über neue Sanktionen gegen Russland diskutiert. Tatsächlich hat sich das Einstimmigkeitsprinzip als ein Erpressungsinstrument auf EU-Ebene erwiesen, wie Viktor Orbán immer wieder in der Praxis zeigt. Apropos Orbán: auch die ungarische Position zur Ukraine – das „Ende von Waffenlieferungen“ – hat Alexander Koppensteiner gelobt. Ebenfalls auf Facebook, garniert mit einem Videobeitrag von RT Deutsch, der deutschsprachigen Ausgabe von Russia Today.
Russland- und Chinafreunde auch in Dunkelrot
Die SPÖ scheint in außenpolitischen Fragen nach wie vor gespalten zu sein, auch wenn sich das im Abstimmungsverhalten weder im österreichischen noch im europäischen Parlament bisher gravierend ausgewirkt hat. Zuletzt stimmten alle Parteien außer (wenig überraschend) die FPÖ für die Entschließung zur „Verurteilung der Angriffe Russlands auf die Demokratie in der EU“. Eingebracht wurde diese Resolution von den europäischen Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen, nicht beteiligt war die rechtspopulistische Fraktion ID und die Linksfraktion GUE/NGL, mit der in Österreich die KPÖ assoziiert ist.
Parteivorsitzender der Europäischen Linken ist übrigens derzeit Walter Baier, ehemaliger Vorsitzender der KPÖ. Er behauptet auf Facebook Dinge wie dass „Neutralität die Ukraine retten würde“ und lobt ausdrücklich einen „Konservativen“ – nämlich Christoph Leitl für seinen Kommentar mit dem Titel „Die Waffen nieder“. Man muss zwangsläufig an die Auftritte von Christoph Leitl, Bundespräsident a.D. Heinz Fischer und Wladimir Putin 2014 denken.
Walter Baier stellt auch Fragen wie „Sind die Menschenrechte in den USA oder China besser?“, wenn er nicht gerade über seine Treffen mit chinesischen Offiziellen berichtet. Mit China und Russland hat es die KPÖ generell nicht so klar: Man denke nur an das Interview mit Elke Kahr in der Kleinen Zeitung, die auf eine Frage bezüglich ihrer Haltung zu China und Russland antwortet, dass sie auf keinen Fall beurteilen will, wie Menschen in anderen Ländern ihre Regierungen wählen. Ja, sie hat wirklich „wählen“ gesagt.
Dafür müssen wir uns laut Kahr um einen Einmarsch keine Sorgen machen, denn wenn man sich „richtig verhält und niemanden angreift“, werde das schon nicht passieren. Wie solche Aussagen auf Ukrainerinnen und Ukrainer wirken müssen, kann man sich vorstellen.
Auch Strache verteidigt Putins Narrativ
Neben der KPÖ, die nicht im Nationalrat vertreten ist, kritisiert wenig überraschend auch die FPÖ traditionell die Sanktionen gegen Russland. Diese Position ist nicht nur bei aktiven FPÖ-Funktionären, sondern auch bei ehemaligen Größen der Partei anzutreffen. Vizekanzler a.D. Heinz-Christian Strache bezeichnete kürzlich den SPÖ-nahen Politikberater Rudi Fußi bei einer Talkrunde als „Kriegstreiber“ und setzte wieder einmal zu einem Vortrag zur „Vorgeschichte“ des Krieges in der Ukraine an. Er spricht vom „Verbot der russischen Staatssprache“ und führt dann weiter aus:
„Man muss verstehen, dass ein Bürgerkrieg entstanden ist, dort wo Menschen umgebracht worden sind, weil sie halt im russischstämmigen Osten gelebt haben.“
Heinz-Christian Strache
Das was Strache hier als „Bürgerkrieg“ bezeichnet, war eine kaum verdeckte Invasion russischer „freiwilliger Soldaten auf Urlaub“, Geheimdienstler und Extremisten sowie massiver Waffenlieferungen und Artilleriebeschuss vom russischen Staatsgebiet aus. Abgesehen davon, dass sowohl russischstämmige wie auch russischsprachige Ukrainer:innen überall im Land lebten und leben – nicht nur im Osten des Landes.
Dabei hatte es Strache in dieser Diskussion sogar geschafft, den autoritären Charakter des Kreml-Regimes anzuerkennen, bevor er wieder in bekannte Muster zurückfiel und alten Mythen bediente. Auf der X-Seite von Strache scheinen inzwischen die „Tucker-Carlson-Festspiele“ ausgerufen worden zu sein: Unzählige Postings verweisen positiv auf das Interview des umstrittenen „Journalisten“ mit Wladimir Putin. Strache teilt dort sogar ein Posting des amerikanischen Verschwörungsideologen Alex Jones, der das Interview mit den Worten „This is great news! Very dangerous to sit on the biggest interview in history! Free speech is rising! Fuck the NWO!!“ kommentierte. Unter NWO verstehen Verschwörungstheoretiker die „Neue Weltordnung“, die angeblich von diabolischen Geheimgesellschaften geformt wurde bzw. geformt werden soll.
Gemeinsame Muster über mehrere Parteien
Was Putin in dem Interview mit Tucker Carlson wieder gezielt einsetzt, ist seine Version der Ereignisse von 2014. Ein bekanntes Muster. Das wirkt leider auch in Österreich, wo die Saat bereits vor zehn Jahren gesät wurde. Von vielen Narrativen, die 2014 teilweise ohne Widerspruch in Österreich verbreitet werden konnten, hat sich das Land bis heute nicht erholt.
Wolfgang Zwander etwa, der Landesgeschäftsführer der SPÖ Niederösterreich, schrieb in einem Kommentar im Falter im Jahr 2014: „Die Dämonisierung Russlands ist falsch.“ Darin kritisierte er die angeblich einseitig russlandfeindliche Berichterstattung westlicher Medien. Während der Pandemie wirft er der EU „Versagen“ in der Impfstoffpolitik vor und meint: „Je früher wir Sputnik haben, desto besser.“
Der immer noch im Nationalrat mit Außenpolitik befasste SPÖ-Abgeordnete Christoph Matznetter wiederum bezweifelte im Jahr 2014 in einem Interview, dass russische Kräfte für den Abschuss der Passagiermaschine MH17 verantwortlich waren:
„Ich kenne nur Dokumente und Unterlagen, die eher darauf hindeuten, dass es BUK-16-Raketen waren, die von ukrainischen Truppen kommen.“
Christoph Matznetter, Abgeordneter zum Nationalrat (SPÖ)
Ein klares Muster, ob sich ehemalige Politiker eher zu obskuren Positionen hinreißen lassen als aktive, lässt sich nicht erkennen – auch wenn viele „Querdenker“ meinen, dass Politiker erst in der Pension den Mut hätten, „die Wahrheit“ zu sagen.
Christian Kern, ehemals für seine russlandreundliche Politik und seine Tätigkeit in der russischen Staatsbahn kritisiert, bezeichnete auf X die Verweigerung der amerikanischen Republikaner in der Ukrainehilfe als „kriminell“ und sagte weiters, dass Europa nicht sicherer werde, wenn die Ukraine überrollt würde. Es scheint einen gewissen Sinneswandel gegeben zu haben.
Andere Ex-Politiker, wie der ehemalige ÖVP-Abgeordnete Wendelin Ettmayer, äußern sich in dieser Tage anders, wie ein geradezu haarsträubender Kommentar im Kurier zeigt:
„Gleichzeitig setzte die volle westliche Propaganda vom ,unprovozierten russischen Angriffskrieg‘ ein. Wie sich doch die Zeiten ändern. Als die Sowjetunion 1962, nur 100 Meilen von der amerikanischen Küste entfernt, Raketen auf Kuba aufstellte, verlangte Präsident Kennedy deren sofortigen Abzug.“
Diese Vergleiche mit der Kuba-Krise sind zwar wenig sinnvoll, werden aber immer wieder angeführt – auch von Prominenten wie Heinz Fischer, kurz vor der Invasion 2022. Ettmayer ist auch Teil der Initiative „engagierte Neutralität“, deren Podium er bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler Heinz Gärtner und Minister a.D. Erwin Buchinger beehrte. Den Bericht dazu kann man auf der Website „Aktiv neutral für Frieden, Sicherheit und Souveränität“ abrufen – womit sich der Kreis wieder schließt. Man merkt: Der Kreml hat Freunde in mehreren Parteien.
DIETMAR PICHLER ist Programmatic Director am Zentrum für Digitale Medienkompetenz. Der geborene Wiener ist seit 15 Jahren in unterschiedlichen Funktionen im Bereich Marketing und Kommunikation tätig. Nach seinem Masterabschluss im Bereich Kommunikationsmanagement absolvierte er diverse universitäre Fortbildungen in den Bereichen Wirtschaft, Internationale Beziehungen, European Studies und Social Media. Zudem ist Dietmar Pichler Initiator der europäischen Medienplattform „stopovereurope.eu“ und als Vorstandsmitglied des Vereins „Vienna goes Europe“ tätig.