Kalter Krieg 2.0: Die USA und der „Drachenbär“
Im komplexen Geflecht der heutigen Geopolitik kristallisiert sich ein Axiom mit erschreckender Deutlichkeit heraus: Wir navigieren durch die stürmischen Gewässer eines neuen Kalten Kriegs. Als Kalter Krieg 2.0 charakterisiert, ist die internationale Gemeinschaft Zeuge einer Ära, die von den machtpolitischen Schachzügen der Großmächte USA, China und Russland dominiert wird.
Hierbei rückt der „Drachenbär“ – ein Terminus für die wachsende strategische Koordinierung zwischen China und Russland – in mannigfaltigen Bereichen und Politikfeldern in den Fokus der Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten. Europa als Schlüsselpartner der USA muss seine Position neu definieren.
Noch bis vor kurzem war die Debatte um die Unvermeidlichkeit eines zweiten Kalten Kriegs lediglich eine akademische oder intellektuelle Übung. Doch die aktuellen Ereignisse – allen voran der russische Krieg in der Ukraine und nun die zunehmenden Spannungen im Nahen Osten, die durch den Konflikt zwischen Israel und der Hamas weiter befeuert werden – haben alle Zweifel ausgeräumt. Meine Hypothese hat sich als unumstößliche Wirklichkeit herauskristallisiert:
Wir stehen im Kalten Krieg 2.0
Und zwar zwischen den USA einerseits und China und Russland andererseits.
In der heutigen geopolitischen Landschaft offenbart sich allerdings eine Krisendynamik, die im Begriff steht, das globale System fundamental zu verändern. Die Rede ist von den neuen Stellvertreterkriegen („proxy wars“) aufgrund der angespannten Konstellation zwischen den USA und dem Drachenbär. Diese neuen Konfliktherde bergen das Risiko von „Kipppunkten“ – einem Konzept, das aus der Mathematik und Physik als „Bifurkation“ bekannt ist. An diesen Punkten reagiert das System nicht mehr graduell, sondern potenziell chaotisch auf Veränderungen.
Wir stehen nun an einem Wendepunkt der internationalen Ordnung, an dem sich eine deutliche Bifurkation oder die Spaltung des globalen Systems in zwei Machtzentren abzeichnet: die Vereinigten Staaten, die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion die globalen Beziehungen und sozioökonomischen Netzwerke durch ihre unangefochtene Machtprojektion dominieren, und ein aufstrebendes China, dessen beispielloses Wirtschaftswachstum Erwartungen an eine neue Supermacht weckt. In diesem geopolitischen Klima formen die USA einerseits und China und Russland andererseits die Konturen einer postpandemischen und äußerst chaotischen Weltordnung.
Im Kontext des Kalten Kriegs 2.0 manifestiert sich die Auseinandersetzung weniger in militärischer Rivalität als vielmehr in einer dichotomen Aufspaltung in vier konkrete geopolitische und geoökonomische Domänen:
- Politische Ökonomie: Hier offenbart sich der Kampf um die Neugestaltung der globalen Wirtschaftsordnung. Es ist ein Wettbewerb um die Hegemonie im Welthandel, in Finanzwesen, Agrarwirtschaft, bei Industriegütern, Rohstoffen und den damit verknüpften internationalen und regionalen Lieferketten. Die Kernherausforderung liegt darin, die Kontrolle über die emergenten Strukturen der globalen Wirtschaft zu erlangen und zu behaupten.
- Technologie: Mit dem Voranschreiten in die vierte Industrielle Revolution gewinnt die technologische Dominanz immer mehr an Bedeutung. Der Wettstreit um Führungspositionen in Bereichen wie künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Nanotechnologie, Cybersicherheit und Raumfahrt ist entscheidend. Es geht dabei nicht ausschließlich um die Führerschaft in Innovationen, sondern um die Prägung der globalen technologischen Trends für die kommenden Jahrzehnte.
- Ideologie: Dieses Feld ist zwar weniger fassbar, doch seine Tragweite enorm. Im Kampf um die völkerrechtliche Definition und Interpretation der neuen Regeln, Normen, Standards und Werte dieser Ära steht viel auf dem Spiel. Es handelt sich um einen Wettstreit der Weltanschauungen, bei dem Nationen darum ringen, den globalen moralischen Kompass, die Glaubwürdigkeit als global agierende Akteure sowie den soziopolitischen Diskurs zu definieren und zu dominieren.
- Allianzen und Organisationen: Im gegenwärtigen Kalten Krieg 2.0 erstreckt sich das strategische Tauziehen auch auf das Feld der internationalen Beziehungen. Die Bildung neuer Allianzen, die Stärkung bestehender Partnerschaften und die Beeinflussung regionaler sowie internationaler Organisationen stehen im Mittelpunkt des Interesses. Diplomatie und Soft Power sind hier die Instrumente der Wahl, um Einfluss zu gewinnen und strategische Ziele zu verfolgen.
Wir befinden uns gegenwärtig inmitten der geopolitischen und geoökonomischen Dynamiken des Kalten Krieges 2.0, wenn es um diese vier Domänen geht. Konflikte von globaler und regionaler Tragweite, wie die Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas sowie der anhaltende Krieg in der Ukraine, zeichnen ein komplexes Bild der internationalen Beziehungen. Es ist zu erwarten, dass Russlands Krieg möglicherweise bis in die Jahre 2025–26 andauern wird, was gravierende Auswirkungen vor allem auf Europa haben wird.
Des Weiteren wird die geopolitische Landschaft des 21. Jahrhunderts durch ein komplexes Machtgefüge charakterisiert, dessen Ausrichtung durch tiefgreifende Megatrends bestimmt wird. Der russische Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 kann nicht als isoliertes Ereignis betrachtet werden, sondern als die Manifestation des Kalten Krieges 2.0. Das Zusammenspiel von fünf geopolitischen Megatrends wird für den weiteren Ablauf dieser Weltkonfrontation entscheidend sein:
- Polarisierung des globalen Systems: Wir beobachten eine zunehmende Zersplitterung und Fragmentierung der Weltordnung, die durch geoökonomische Rivalitäten, ideologische Spaltungen und eine Neuausrichtung der Machtstrukturen gekennzeichnet ist. Diese Zweiteilung trägt zu einer erhöhten geopolitischen Unbeständigkeit bei und schafft einen Nährboden für intensivierte Auseinandersetzungen und neue Konfliktherde, beispielsweise in Osteuropa und im Nahen Osten.
- Systemische Entkopplung zwischen den USA und China: Die Vertiefung der Kluft zwischen den beiden ökonomischen Supermächten manifestiert sich in einer strategischen Bifurkation ihrer Volkswirtschaften und somit aller relevanten sozioökonomischen Netzwerke und ihrer Strukturen. Diese systemische Entwicklung ist nicht mehr rückgängig zu machen und sorgt für weltweite Instabilität und Unvorhersehbarkeit. Außerdem stellt sie die Robustheit traditioneller Wirtschaftsbeziehungen und -netzwerke auf die Probe.
- Divergenzen zwischen den asiatischen Giganten China und Indien: Die steigenden Spannungen zwischen China und Indien beeinflussen die geopolitische und geostrategische Konstellation in Asien und darüber hinaus. Die Rivalität zwischen den bevölkerungsreichsten Nationen der Erde hat weitreichende Implikationen für die regionale und internationale Machtbalance.
- Geostrategische Neuorientierung der USA: Der strategische Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Mittleren Osten, motiviert durch ihre wachsende Energieunabhängigkeit, schuf ein geopolitisches Vakuum mit gravierenden Konsequenzen, wie man anhand des Konflikts zwischen Israel und der Hamas nun beobachtet. Langfristig könnte dieser Trend zu einer verminderten amerikanischen Präsenz in europäischen Angelegenheiten führen, während gleichzeitig eine Neufokussierung auf die Indopazifik-Region stattfindet. Diese Verlagerung könnte nicht nur die NATO und die europäische Sicherheitsarchitektur beeinflussen, sondern auch die globale Machtbalance neu ausrichten.
- Fluide geopolitische Allianzen: Die Dynamik der gegenwärtigen Machtkonstellationen begünstigt das Entstehen von flexiblen und bisweilen ephemeren Bündnissen. Staaten und regionale Blöcke balancieren geschickt zwischen den USA und China, ohne sich eindeutig zu binden. Dies reflektiert die Fluidität und Komplexität des gegenwärtigen weltpolitischen Umfelds, in dem traditionelle Allianzen neu bewertet und strategische Partnerschaften fortlaufend neu verhandelt werden.
Diese Megatrends sind nicht isoliert zu betrachten; sie interagieren miteinander und erzeugen ein vielschichtiges Geflecht von Ursachen und Wirkungen, das die globale Bühne prägt. Die Ereignisse in der Ukraine und in Israel könnten somit als Symptom einer tieferen geopolitischen Spannung verstanden werden. Die daraus resultierende geopolitische Matrix erfordert eine nuancierte und vorausschauende Analyse, um die Komplexität der internationalen Beziehungen und die daraus resultierenden Herausforderungen für die Staatengemeinschaft zu verstehen.
Die gegenwärtige Analyse und Bewertung der genannten Trends lassen darauf schließen, dass das internationale System an der Schwelle zu einer möglicherweise neuen Weltordnung steht, in der bestehende Strukturen herausgefordert und möglicherweise neu definiert werden. Die aktuelle geopolitische Landschaft ist gezeichnet von einer Dichotomie der Machtblöcke – einer Realität, die Fiona Hill in ihrem Interview mit der LA Times scharfsinnig adressiert. Sie zieht Parallelen zwischen dem Gaza-Konflikt, in den Israel involviert ist, und der übergreifenden globalen Dynamik und betont dabei die Möglichkeit wechselseitiger Einflüsse zwischen regionalen Konflikten und weltweiten Machtverschiebungen. Ihre Aussage, dass diese Konflikte „das Potenzial haben, das globale System umzugestalten“, erinnert an die Nachkriegsentwicklungen des 20. Jahrhunderts, die das internationale Gefüge grundlegend neu ordneten.
Die US-Strategie inmitten globaler Verschiebungen
Die geopolitische Position der USA wird zusätzlich durch das herannahende Wahljahr kompliziert. Traditionell fokussieren die USA während Wahlperioden stärker auf innenpolitische Themen, was die Gestaltung internationaler Strategien erschwert. Trotz der innenpolitischen Herausforderungen und des Erstarkens des Drachenbären bleiben die USA der entscheidendste Akteur im globalen Schachspiel, der sich im Kontext dieses neuen Kalten Kriegs behaupten muss.
Auf der globalen Bühne zeichnet sich eine bipolare Struktur ab, in der sich die Großmächte in einem von zwei Lagern konzentrieren: Auf der einen Seite die von den USA und ihren Verbündeten geführte Koalition, auf der anderen ein Block, bestehend aus Russland, China und dem Iran. Diese Entwicklungen beeinflussen nicht nur strategische Entscheidungen, sondern auch die Logistik und Finanzierung internationaler Hilfsmaßnahmen, wie beispielsweise die Waffenlieferungen, die für die Ukraine bestimmt waren.
Die geopolitischen Spannungen und die daraus resultierenden Sicherheitsanforderungen der Verbündeten sind eine besondere Herausforderung für die Haushaltspolitik der USA. Zugleich bleibt die Verpflichtung, Israel zu unterstützen – ein langjähriger und zentraler Verbündeter in einer turbulenten Region – ein wesentlicher Bestandteil der amerikanischen Außenpolitik. Somit muss die Biden-Administration die innenpolitischen Prioritäten und die finanzielle Tragfähigkeit des Bundeshaushalts ausbalancieren.
Das kann insbesondere dann zu Spannungen führen, wenn in den Vereinigten Staaten gleichzeitig über Infrastruktur-Investitionen, Gesundheitsfürsorge oder Bildungsreformen debattiert wird. Die Administration ist daher gefordert, eine Politik zu verfolgen, die sowohl die internationalen Verpflichtungen erfüllt als auch die innenpolitischen Erwartungen berücksichtigt. Die Biden-Administration wird in diesem Kontext ihre Fähigkeit unter Beweis stellen müssen, Kompromisse zu finden und die Unterstützung beider politischen Lager zu gewinnen, um eine kohärente und nachhaltige Außen- und Haushaltspolitik zu gestalten.
Die Drachenbär-Strategie
Die als „DragonBear“-Strategie bezeichnete Annäherung zwischen China und Russland ist ein Ausdruck strategischer Koordination, der die internationale Ordnung des 21. Jahrhunderts zunehmend prägt. Diese Bezeichnung, die ich seit 2015 verwende, kennzeichnet einen Modus vivendi, der über konventionelle Allianzen hinausgeht und sich durch eine organische und wirksame Abstimmung der beiden Großmächte auszeichnet. Während Peking und Moskau ein offizielles Bündnis vermeiden, das mit gegenseitigen Verteidigungsverpflichtungen einhergehen würde, zeigen sie doch eine beeindruckende Kohärenz und Konvergenz in ihren geopolitischen Ansätzen seit 2013.
Symbolbild, produziert mit Midjourney AI
Die Unterstützung etwa, die China Russland während seines Kriegs gegen die Ukraine gewährt, ist signifikant, sei es diplomatischer, politischer oder finanzieller Natur sowie im Bereich Dual-Use-Technologien. Ebenso ist ihre gemeinsame Positionierung in Bezug auf den Nahen Osten – insbesondere ihre Förderung der palästinensischen Frage und der Zweistaatenlösung – nicht nur als diplomatische Geste zu verstehen, sondern als Teil einer größeren Strategie, Einfluss auf Konfliktlösungen in dieser volatilen Region zu nehmen.
Der strategisch günstigste Zeitpunkt für China und Russland, ihre Stellung zu festigen, wird durch mehrere Faktoren bestimmt:
- Die USA im Übergang: Die Vereinigten Staaten befinden sich in einer Phase politischer Neuausrichtung und internen gesellschaftlichen Wandels, was ihre geopolitische Reaktionsfähigkeit signifikant beeinträchtigen kann.
- Technologischer Wandel: Die rasante Entwicklung in Bereichen wie künstliche Intelligenz, Cybersicherheit und Hyperschallwaffen eröffnet neue Fronten im Bereich Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
- Regionale Machtverschiebungen: Die Welt erlebt eine Machtverschiebung von einem unipolaren zu einem zunehmend gespaltenen System, in dem neue regionale Akteure größeren Einfluss ausüben können.
- Erosion internationaler Normen und Regeln: Die bisherigen internationalen Normen und Institutionen stehen unter Druck, was revisionistischen Mächten Spielräume eröffnet.
Das Hauptziel in diesem geopolitischen Schachspiel scheint es zu sein, die gegnerischen Verteidigungsmechanismen auszuloten und die Entschlossenheit sowie die Fähigkeiten der Gegenseite zu testen, ohne dabei eine direkte militärische Konfrontation zu suchen. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch der chinesisch-russische Block sind sich der katastrophalen Konsequenzen eines solchen Konflikts bewusst und bevorzugen stattdessen eine Strategie der Machtdemonstration und der Einflusserweiterung.
Im Nahen Osten, wo die Konfliktdynamik besonders komplex ist, lässt sich beobachten, dass nichtstaatliche Akteure wie die Hamas ihre Aktivitäten so ausrichten können, dass sie in das größere geopolitische Spiel der regionalen Mächte wie Iran passen. Der Iran wird von vielen westlichen Nationen als Unterstützer von Gruppierungen angesehen, die als terroristisch eingestuft werden. Die USA und die EU haben die Hamas als Terrororganisation eingestuft, was bedeutet, dass sie von diesen Entitäten als solche betrachtet und behandelt wird.
China und Russland haben in der Vergangenheit ihre Unterstützung für eine Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt zum Ausdruck gebracht. Ihre Unterstützung für die palästinensische Seite wird als Teil ihres breiteren Bemühens gesehen, ihren Einfluss in der Region zu erweitern und bei künftigen Friedensverhandlungen oder Krisenmanagement-Initiativen eine wichtige Rolle zu spielen. Die geopolitische Strategie, die in diesem Kontext zum Einsatz kommt, ist also nicht nur auf direkte Konfrontation ausgerichtet, sondern auch auf die Beeinflussung von Meinungen, Allianzen und dem globalen Kräfteverhältnis durch eine Mischung aus politischer Unterstützung, diplomatischen Initiativen und ideologischer Einflussnahme.
Fazit
Wir befinden uns also an einem Wendepunkt der Internationalen Beziehungen, an dem die „Drachenbär“-Dynamik eine Neugestaltung der geopolitischen Landkarte bewirkt. Die zunehmende Stärke und Koordination zwischen China und Russland signalisieren den Übergang in eine neue Ära, die sich durch subtile Machtspiele und strategische Rivalität (vor allem im globalen Süden) auszeichnet, weniger durch direkte militärische Auseinandersetzungen.
Die Interessenkonvergenz in Regionen wie Osteuropa und dem Nahen Osten verdeutlicht das Bestreben von China und Russland, sich als unverzichtbare Akteure in globalen Entscheidungsprozessen zu etablieren. In diesem komplexen Szenario ist eine geopolitische Weitsicht erforderlich – eine, die über den Tellerrand hinausblickt und die vielfältigen Aspekte der modernen Diplomatie und Realpolitik erfasst.
Die Frage, warum diese Entwicklungen gerade jetzt stattfinden, kann durch den Rahmen des „Kalten Kriegs 2.0“ beantwortet werden, in dem die Vereinigten Staaten einer sich formierenden Achse von China und Russland gegenüberstehen. In diesem geopolitischen Spiel geht es nicht um die unmittelbare Suche nach militärischer Konfrontation, sondern um ein Abtasten der Stärken, ein Testen der Glaubwürdigkeit und ein strategisches Positionieren auf dem globalen Schachbrett.
Das Wiederaufleben der Rivalitäten zwischen den Supermächten, das Parallelen zum Kalten Krieg aufweist, fordert von den Weltführern, ihre Strategien zu überdenken und Allianzen kritisch zu hinterfragen. Der „Kalte Krieg 2.0“ ist somit nicht bloß ein Ringen um die Vorherrschaft; er ist vielmehr ein kritischer Moment, der die Weichen für die zukünftige Ausrichtung unserer global vernetzten Welt stellen wird.
Ausblick
Vor diesem Hintergrund werden China und Russland ihre Bemühungen verstärken, eine dritte Front im indopazifischen Raum zu etablieren, um den geopolitischen Einfluss und die Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten herauszufordern. Diese Entwicklung ist Teil eines größeren, komplexen Wettbewerbs, der das Risiko einer technologischen Eskalation birgt, insbesondere durch die potenzielle Weitergabe kritischer Technologien an Staaten wie Nordkorea. Eine solche Dynamik könnte das nukleare Gleichgewicht weiter destabilisieren und zu einer erhöhten militärischen Präsenz führen – ein Phänomen, das wir bereits in den umstrittenen Gewässern des Südchinesischen Meeres beobachten können, sowie in der strategisch bedeutsamen Taiwanstraße.
Doch diese Konfrontation ist keine bloße Neuauflage der Weltkriege des 20. Jahrhunderts. Die Gefahr eines globalen Dritten Weltkriegs mag durch die Abschreckungskraft der nuklearen Arsenale gebannt scheinen – aber das bedeutet keineswegs, dass wir uns in einem stabilen globalen System befinden. Der gegenwärtige Kalte Krieg zeichnet sich durch seine Vielschichtigkeit aus: Statt offener militärischer Auseinandersetzungen steht wirtschaftliches, handels- und rohstoffpolitisches, technologisches und allianztechnisches Dominanzstreben im Vordergrund.
Das verbreitete Narrativ, dass ein Dritter Weltkrieg zwischen den USA, China und Russland unausweichlich sei, entbehrt jeder logischen Grundlage angesichts der nuklearen Bewaffnung der Hauptakteure. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit für eine direkte militärische Konfrontation oder gar einen nuklearen Schlagabtausch zwischen diesen Staaten äußerst gering. Es ist vielmehr ein Ringen um Einfluss und Überlegenheit in einer gegabelten Weltordnung, die von strategischen Allianzen und geopolitischen Ambitionen geprägt ist.
VELINA TCHAKAROVA ist Gründerin des Forschungs- und Beratungsunternehmens FACE (For A Conscious Experience e.U.) und Visiting Fellow an der Observer Research Foundation in Indien. Als geopolitische Expertin gibt sie ihre Einschätzung zu Entwicklungen der internationalen Beziehungen ab.