Sport als Geschäft
Sport wird immer mehr zu einer Unterhaltungsindustrie, wo viel zu verdienen ist, die Investoren aber ihr Risiko reduzieren wollen.
Fußball wird zunehmend langweilig, zumindest wenn man Spannung so definiert, dass ein armer Klub aus der Provinz der beste im Land oder gar in Europa werden kann. In der Kindheit des Autors duellierten sich zum Beispiel Austria Wien und RSC Anderlecht um den Pokal der Pokalsieger, der damals zweithöchsten Ehre im europäischen Klubfußball. Diese Zeiten sind vorbei.
In den 60 Jahren der deutschen Bundesliga wurden zwölf verschiedene Klubs Meister, darunter solche, die schon lange abgestiegen sind, wie der 1. FC Kaiserslautern oder 1860 München. Seit der Wiedervereinigung hat aber Bayern München zwei Drittel aller Meisterschaften gewonnen, zuletzt elf Jahre en suite.
Meisterschaften unter sich
Ähnlich ist es in Frankreich (PSG gewann neun der letzten elf Meisterschaften) und Österreich (Red Bull Salzburg zehnmal in Folge). In der Premiere League und der Champions League haben sich Oligopole von jeweils sechs bis acht Mannschaften gebildet, die die Meisterschaften unter sich ausmachen.
Ehemalige Größen wie Roter Stern Belgrad, Benfica Lissabon oder Ajax Amsterdam können ab und zu noch überraschen, sich aber keine Hoffnung auf einen Champions-League-Titel machen. Selbst national: Der – durchaus junge – Geschäftsführer eines deutschen Zweitligisten, der vor Jahrzehnten deutscher Meister war, sagte mir, dass er nicht erwartet, dass sein Klub zu seinen Lebzeiten wieder Meister werden könne.
Der US-amerikanische Profisport fühlt sich für seinen Unterhaltungswert insofern verantwortlich, als er Mechanismen eingeführt hat, um Ligen abwechslungsreich zu halten: salary caps, Limits, wie viel ein Klub an Spielergehältern auszahlen darf; und das draft-System, durch das die schlechtesten Klubs jedes Jahr das Recht bekommen, die besten Nachwuchsspieler zu rekrutieren. In der National Football League haben in 57 Jahren 22 verschiedene Mannschaften den Superbowl gewonnen – doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum die deutsche Bundesliga.
Kommerzieller Wert
Sport wird immer mehr zu einer Unterhaltungsindustrie, wo viel zu verdienen ist, die Investoren aber ihr Risiko reduzieren wollen. US-Ligen kennen daher keinen Abstieg in niedrigere Ligen – das würde den kommerziellen Wert eines Klubs stark reduzieren, weswegen die Eigentümer geschlossene Ligen der immer gleichen Teams geschaffen haben.
Vor wenigen Jahren haben Finanzinvestoren versucht, eine europäische Superliga nach diesem Vorbild aufzubauen. Das Projekt scheiterte – noch – am Widerstand der Fans. Laut einem Funktionär der englischen Spielergewerkschaft PFA haben diese Investoren die „geheime Kraft des europäischen Fußballs unterschätzt“, nämlich die Bindung der Fans an den Klub. Das ist ein fundamentaler Unterschied zu den franchises der US-Ligen, wo es wenig Loyalität gibt: Die Rams zum Beispiel sind innerhalb von 20 Jahren von Los Angeles nach St. Louis und zurück nach Los Angeles gezogen.
Verein mit Interessenkonflikten
Der nächste Versuch, eine geschlossene Liga im Fußball zu kreieren, wird kommen. Die Fifa – ein Verein mit massiven Interessenkonflikten, weil er sowohl die Regeln des Spiels bestimmt als auch Wettbewerbe ausrichtet – bastelt daran, wie auch amerikanische und europäische Finanzunternehmen.
Bis dahin werden weder Bayern München noch Red Bull Salzburg je wieder absteigen. Aber vielleicht produzieren sie heuer genügend Selbstfaller, um nach langer Zeit wieder einmal nicht Meister zu werden.
Dem Sport täte es gut.
VEIT DENGLER ist Unternehmer. Bis Ende 2021 war er COO der Bauer Media Group, zuvor leitete er die Mediengruppe der Neuen Zürcher Zeitung. Dengler war Gründungsmitglied, stellvertretender Parteivorsitzender und Geschäftsführer von NEOS. Aktuell kandidiert Dengler für ein NEOS-Mandat im Nationalrat.