Das Ende der Globalisierung?
Klimawandel, überdehnte Lieferketten, teuer importierte Energie. Der globale Handel hat ausgedient. Doch diese Geschichte haben wir schon öfter gehört.
Die erste Corona-Welle hält Österreich in Atem. Es fehlt an Schutzbekleidung, an Masken. Es fehlt auch an chemischen Substanzen für die medizinische Industrie, weil China die Exporte drosselt. Die österreichische Bundesregierung kündigt eine Heimholung von Schlüsselindustrien an.
Nach zwei Jahren Corona sind die Probleme andere, werden aber ähnlich interpretiert. Die Abhängigkeit von Bauteilen aus China und Chips aus Malaysia stoppt Autowerke in Deutschland und schickt Arbeiter:innen in Kurzarbeit. Ein Corona-Ausbruch in einem Hafen in China, und tausende Container stecken fest. Das Resultat: Transportkosten explodieren und die Inflation treibt wilde Blüten.
Und nun überfällt Russlands Diktator Wladimir Putin einen Nachbarstaat mitten in Europa, und die Gaspreise fahren Achterbahn. Die Energieministerin muss ausrücken, um zu bekräftigen, dass wir weiterhin warm duschen können, aber in der Industrie ist es möglich, dass manchen Betrieben der Gashahn zugedreht werden muss. Die Inflationsspirale dreht sich weiter.
Es scheint eindeutig: Die Globalisierung war eine Fata Morgana. Ein Versprechen der Wirtschaftsbosse, das jedoch nur sie, nicht aber die Menschen bereichert hat. Die Antwort scheint klar: Es braucht einen neuen Protektionismus. Wir müssen unsere Produktionsindustrien zurück nach Hause bringen, sie durch Zölle und geschlossene Grenzen vor der ausländischen Konkurrenz schützen und unseren Wohlstand daheim erwirtschaften.
Inflationsbremse Welthandel
Dieser Aufruf ist nicht neu. Man hört ihn, wann immer die Wirtschaftsmaschine stottert. Aber er ist falsch – in Österreich hängt mehr als jeder zweite Arbeitsplatz am Handel. Und die sind besser bezahlt als der Rest.
Ebenso wichtig: Unsere Lebensqualität ist durch weltweite Lieferketten massiv gestiegen. Noch nie mussten wir so wenige Stunden für unsere Lebensmittel arbeiten wie heute. Ein Arbeiter, eine wenig verdienende Handelsangestellte können sich Fleisch leisten. Zur Zeit unserer Großeltern hieß der „Sonntagsbraten“ aus gutem Grund so – er war fürs tägliche Essen zu teuer.
Für ein Fernsehgerät musste die Durchschnittsverdienerin in den 1960er Jahren zwei Monate lang arbeiten, heute sind es gerade noch 20 Stunden. Diesen Preisverfall gibt es für fast alle Güter. Dank billiger Produktion von Bauteilen arbeiten wir weniger und weniger Stunden, um uns ein Auto, Bekleidung oder ein Möbelstück zu kaufen.
Genau deshalb trifft uns die Inflation heute so stark. Energie war billig, weil wir Öl und Gas für wenig Geld aus aller Welt kaufen können. Die Lebensmittelpreise steigen, weil der Krieg in der Ukraine dem Handel zusetzt. Wenn Corona China dazu bringt, Exporte zu reduzieren, klettern die Preise nach oben.
Das Problem ist also zu wenig globaler Handel – die Antwort darauf kann nicht heißen, noch weniger zu handeln. Die Pandemie und Putins Krieg haben Schwachpunkte der Globalisierung aufgezeigt. Die gilt es zu verbessern. Keine Frage, weniger Abhängigkeit von kriegstreibenden Diktatoren oder Systemrivalen in essenziellen Gütern wäre zu begrüßen. Ob die Antwort Heimholung der Industrie oder eine diversifiziertere Lieferkette ist, wird vom Produkt abhängen. Wenn wir versuchen, jeden Billigbauteil für unsere Handys oder Autos in Europa zu bauen, werden diese Produkte wieder um vieles teurer werden.
Europa muss Abhängigkeiten von Staaten reduzieren, die uns nicht wohlgesinnt sind. Aber das kann nicht heißen, den Welthandel, der uns so viel Wohlstand gebracht hat, zu verdammen. Immerhin hängt mehr als jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich vom Handel ab.