Freunde Putins Österreich
Angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine gibt es nur wenige in der österreichischen Innenpolitik, die gerade mit Russland assoziiert werden wollen. Obwohl sich bis zur aktuellen Legislaturperiode sämtliche Regierungsparteien mit guten Beziehungen zu Putin schmücken konnten, gibt es eine Partei, deren Verhältnis zu Russland besonders bemüht wirkt: Die FPÖ.
Das erste Treffen der Freiheitlichen mit russischen Repräsentant:innen fand im Oktober 2005 statt, als Heinz-Christian Strache, damals noch neuer Parteichef, und Johann Gudenus, damals Obmann des Rings Freiheitlicher Jugend, ein Partei-Event zusammen mit mehreren Vertreter:innen der europäischen Rechten organisierten – neben Russland waren auch andere Länder vertreten, z. B. Polen, Spanien oder Bulgarien.
Ab 2008 intensivierte sich das Verhältnis der Freiheitlichen zu Russland. Die Austrian Technologies GmbH, ein Unternehmen der FPÖ-Wirtschaftspolitikerin Barbara Kappel, organisierte immer wieder Vernetzungstreffen, immer öfter reisten Partei-Delegationen nach Russland.
Johann Gudenus und der Kontakt nach Russland
Wesentlich für dieses Engagement der FPÖ ist Johann Gudenus. Der frühere Klubobmann der FPÖ Wien, von 2015 bis 2017 nicht-amtsführender Vizebürgermeister, hat eine lange Beziehung zu Russland. Schon in der Schule lernt Gudenus Russisch, zwischen 1995 und 2003 nimmt er regelmäßig Sommerkurse an der Moskauer Staatsuniversität in Anspruch. Während seines Studiums lebt er ein Jahr in Moskau und studiert an der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums.
Gudenus‘ Russland-Connection ist mittlerweile einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Nicht nur, weil er 2016 beim Abschluss des Fünfjahrespaktes zwischen der FPÖ und der Putin-Partei Einiges Russland dabei war: Es waren seine Russisch-Kenntnisse, die Heinz-Christian Strache und ihn in die Ibiza-Falle tappen ließen. Im Glauben, sich mit einer reichen russischen Oligarchen-Nichte zu treffen, vereinbarte Gudenus das Treffen mit seinem Parteichef auf der spanischen Partyinsel, das zwei Jahre später zum Rücktritt der beiden führen sollte.
Auch seine geschäftlichen Beziehungen führen nach Russland: Zwischen 2006 und 2010 war Gudenus als Geschäftsführer der Donowan Invest Trading GmbH tätig, die eine Tochtergesellschaft in Russland hat. Ab 2007 war die österreichische Firma im Besitz eines Russen. Nach offenen Schulden von ca. 300.000 € wurde das Unternehmen 2011 liquidiert, ein Jahr davor zog sich Gudenus aus der Geschäftsführung zurück.
Symbolbild, produziert mit DALL-E 2
2012 besucht Gudenus zusammen mit seinem außenpolitischen Sprecher im Nationalrat, Johannes Hübner, den tschetschenischen Diktator Ramzan Kadyrow, dessen Regime für Menschenrechtsverletzungen bekannt ist. Hübner wird zu diesem Treffen später sagen:
„Es gibt keine Anzeichen von Krieg oder Diskriminierung aus nationalen, religiösen oder ethnischen Gründen. Wir sind davon überzeugt, dass die Führung der Region auf soziale Probleme besondere Aufmerksamkeit richtet. Deshalb würden wir uns über eine Kooperation mit Tschetschenien freuen.“
Johannes Hübner
Angesichts dieser langen Vorgeschichte ist nicht überraschend, wer für die FPÖ das international nicht anerkannte „Referendum“ auf der ukrainischen Halbinsel Krim überprüft, nachdem diese annektiert wurde: Hübner und Gudenus, die zusammen mit Strache, Kappel und dem früheren Generalsekretär Andreas Karlsböck die „Russland-Connection“ bilden.
Sie bleiben in Kontakt
Und die Connection lohnt sich, auch nach der Annexion der Krim im Jahr 2014. Auch die russische Aggression in der Ukraine schadet der Beziehung mit den Freiheitlichen kaum. Im Gegenteil: Genau jetzt nutzen viele FPÖ-Politiker:innen das Sprachrohr, das ihnen die russischen Propagandamedien hinhalten, und sprechen sich gegen die Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union aus. In den folgenden Jahren gibt es einige Treffen zwischen Parteigrößen und Vertreter:innen Russlands.
2014: Hochrangige Vertreter:innen der europäischen und russischen Rechten treffen sich in Wien. Unter ihnen sind Politgrößen wie Aleksandr Dugin, auf dessen Bestrebungen hin die Kontakte zu den Rechten erst aufgebaut wurden, sowie Marion Maréchal-Le Pen, die Nichte von Marine Le Pen. Im Meeting wird besprochen, wie man Europa vor dem Liberalismus und – kein Witz – vor der „satanischen Schwulen-Lobby“ retten könne. Mit dabei: FPÖ-Chef Strache, Johann Gudenus und der Wiener Stadtrat Johann Herzog.
2016: Axel Kassegger und Barbara Rosenkranz nehmen am zweiten „Yalta International Economic Forum“ teil, das seit dem Vorjahr auf der Krim stattfindet. Ziele der Konferenz sind, die wahrgenommene Legitimität der Annexion durch die Anwesenheit westlicher Politiker:innen zu steigern und Wege zu finden, wie die Sanktionen zu Investments auf der Krim umgangen werden können. Auch in den Folgejahren werden FPÖ-Politiker:innen dort zu sehen sein.
Im gleichen Jahr wird die Bundespräsidentschaftswahl wiederholt. Noch vor der letzten Stichwahl unterzeichnet die FPÖ in Moskau einen „Fünfjahresvertrag“ mit der russischen Regierungspartei Einiges Russland, in dem sie den „Austausch von Informationen“ und die „Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus“ festschreiben.
2018: Vladimir Putin lässt sich wieder zum Präsidenten wählen. Bei der gefälschten internationalen Wahlbeobachtung wird neben Vertreter:innen zahlreicher rechter Parteien wie dem Front National, der Alternative für Deutschland und der Lega Nord auch ein FPÖ-Politiker eingeladen: Zeljko Malesevic.
Die FPÖ verschafft Regierungskontakte
Bei der Nationalratswahl 2017 schaffen die Freiheitlichen den Einzug in die österreichische Bundesregierung, die nur zwei Jahre später am Ibiza-Video zerbrechen wird, das im selben Jahr aufgenommen wurde. Privatdetektiv Julian Hessenthaler, der Mann hinter der Video-Falle, spricht von Informationen, wonach in diesem Wahlkampf über Zypern Geld aus Russland zur FPÖ fließen sollte – bestätigt hat sich das bis jetzt allerdings nicht.
2018 besucht Bundeskanzler Kurz Vladimir Putin und einigt sich mit ihm auf das „Sotchi-Forum“, in dem der Austausch zwischen Österreich und Russland gefördert werden soll. Im selben Jahr im Vereinigten Königreich findet ein Mordversuch gegen den früheren russischen Geheimdienstler Sergei Skripal statt. Als alle Spuren nach Russland zeigen und über 100 russische Diplomat:innen bereits aus dem Westen ausgewiesen wurden, zögert Österreich. Die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl will die „Kommunikationskanäle zwischen Westen und Osten offenhalten.“
Im gleichen Jahr gibt es noch zwei Vorfälle mit großer Symbolik. Zum einen verlängert die teilstaatliche OMV ihre Gasliefer-Verträge mit Russland bis 2040 – vorzeitig, denn die bestehenden Dokumente hätten bis 2028 ausgereicht. Ein voreiliger Schritt, der die Republik heute teuer kommen könnte: Nicht nur aus Klimagründen, sondern auch aus einer geopolitischen Notwendigkeit muss sich Österreich nun aus einer jahrzehntelang gewachsenen Abhängigkeit von russischem Gas befreien.
Zum anderen „der Knicks“. Außenministerin Kneissl heiratet, und Vladimir Putin ist der Star der Hochzeit. Nach einem Tanz mit dem russischen Präsidenten geht die Ministerin auf die Knie – eine Symbolik, passend zur wachsenden Abhängigkeit von Russland. Putin weiß: In der österreichischen Regierung sitzen Freunde.
Auch unter Kickl bleibt die FPÖ russland-freundlich
Seit dem Ibiza-Video hat sich einiges getan in der FPÖ: Strache und Gudenus sind zurückgetreten, auch Norbert Hofer hat bereits das Handtuch geschmissen. Karin Kneissl ist nicht mehr Ministerin, war aber noch lange Gastautorin für das mittlerweile verbotene RT und sitzt immer noch im Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft. Mittlerweile schreibt sie nicht nur weiterhin für RT, sondern auch für ein Medium, das pro-türkische Nachrichten verbreitet.
Aktuell wird die FPÖ von Herbert Kickl angeführt, der sich stark auf das Thema Neutralität setzt. Er strebt nicht nur den Erhalt der österreichischen Neutralität an, sondern fordert auch, dass die Ukraine neutral werden sollte, um den Krieg zu beenden. Damit vertritt er auch Putins Forderung – dieser zeigt sich bereit, über Frieden zu sprechen, wenn er an eine neutrale, blockfreie Ukraine grenze.
Fragt man beim Parteichef der Freiheitlichen nach, ist das Kooperationsabkommen mit der Putin-Partei nicht mehr gültig. „Schon als ich noch nicht Parteiobmann war, hat sich mit die Sinnhaftigkeit nicht erschlossen“, wird Kickl von der APA zitiert. Diese weist auch auf ein technisches Detail hin: Punkt 8 der Vereinbarung besagt, dass sie sich automatisch um fünf Jahre verlängert, wenn sie nicht mindestens sechs Monate vor Ablauf gekündigt werde. Das wäre am ersten Tag von Herbert Kickl als FPÖ-Parteiobmann nötig gewesen – und ist bisher nicht passiert.
Aber auch die Ankündigung einer Distanzierung von Putin sorgt nicht dafür, dass die FPÖ ihre Politik ändert. So sagt der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp, ihm gehe es „auf den Sack“, dass Volodymyr Selensky als Held bezeichnet werde. Er will sich lieber den in seinen Augen echten Problemen widmen: Ukrainischen Flüchtlingen, die in Wien Parkplätze brauchen.
Die FPÖ mag sich seit dem Abgang von Strache und Gudenus rhetorisch zumindest etwas von Russland entfernt haben. Dass sie nach wie vor ein putin-freundliches Narrativ bedient, laut dem dieser nur „legitime Sicherheitsinteressen“ wahre, zeigt aber: Die politische Nähe, die durch jahrelange gute Kontakte aufgebaut wurde, hat sie nie abgelegt.