Kein Klimaschutz ohne Kapitalismus
Klar, es gibt in kapitalistischen Gesellschaften beim Klimaschutz Handlungsbedarf. Aber in einer Welt, in der etatistische Utopien unweigerlich in Katastrophen enden, sind kapitalistische Innovationsfähigkeit und freie Märkte mit den richtigen Rahmenbedingungen unsere beste Chance für eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft.
Ein Blick in die sozialen Medien oder auf die Transparente bei Demonstrationen für den Klimaschutz reicht, um zu sehen, dass Kapitalismus keinen besonders guten Ruf bei vielen Menschen genießt, denen Umweltschutz und Klimapolitik besonders am Herzen liegt.
Vorweg: Es wäre fachlich falsch zu behaupten, dass sämtliche Kritik an aktuellen Wirtschaftsabläufen, der klimapolitischen Praxis in vielen Unternehmen und Branchen oder Lobbyingaktivitäten vollkommen unberechtigt ist. Es gibt auch tatsächlich ernstzunehmende akademische Auseinandersetzungen, zu welchem Grad diese Probleme systembedingt sind, und auch Kapitalismus-Fans sollten diese zumindest kennen. Es braucht auch eine politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Diskussion darüber, welche Rollen Staat, Unternehmen oder Individuen bei der Umsetzung von umweltpolitischen Zielen haben können und müssen – und es fehlt nicht an Beispielen dafür, dass die Erreichung dieser Ziele derzeit bescheiden ausfällt.
Auffällig ist allerdings, dass der Kapitalismus (manchmal einfach „der Markt“) bei vielen eine Art allumfassender Sammelbegriff für alles Unangenehme, Abzulehnende oder Suboptimale geworden ist: Fitness (wird seit Jahrtausenden betrieben) ist demnach kapitalistischer Körperkult, Patriarchat (obwohl seit spätestens dem Neolithikum und kulturübergreifend nachweisbar) die Folge kapitalistischer Unterdrückung, Imperialismus (seit Jahrtausenden existent) sowieso kapitalistisch. Hohe Energiepreise aufgrund von Gasverknappung durch einen russischen Staatskonzern sind anscheinend auch Kapitalismus – die Liste ist endlos.
Gerade bei der Überstrapazierung natürlicher Ressourcen und der Zerstörung von Lebensraum ist fast unweigerlich vom Kapitalismus als Grundübel die Rede – obwohl es von der Frühzeit bis heute auf der ganzen Welt Beispiele menschlicher Gesellschaften, diversester Kulturen und Wirtschaftsstrukturen gibt, welche in diese Falle getappt sind. Kaum etwas ist so universell menschlich wie Umweltzerstörung. Und es ist schwer zu argumentieren, dass mesolithische Jäger ihre Lebensgrundlagen aus kapitalistischen Motiven ausgerottet haben; ebenso wenig die Mayas oder die Rapanui, die ihre überlebenswichtigen Wälder abgeholzt, oder die Sumerer, die ihre Böden ausgelaugt haben.
Mehr Staat bedeutet nicht mehr Umweltschutz
Das Mantra vieler Klima- und Umweltschützer:innen lautet trotzdem: Es reicht nicht, Rahmenbedingungen für Markt, Industrie oder Unternehmen zu optimieren – es braucht Verstaatlichungen (euphemistisch „Vergemeinschaftung“ oder „Kommunalisierung“), die Abschaffung des Finanzmarkts oder grundsätzlicher wirtschaftlicher Freiheiten wie Gewinnstreben oder Unternehmenswachstum.
Das Ende des Kapitalismus sei demnach Grundvoraussetzung für Klima- und Umweltschutz, welcher dann in einem etatistischen Utopia, frei von marktwirtschaftlichen Zwängen und Gewinnstreben, zentral gesteuert umgesetzt wird. Allerdings fehlt für diesen kausalen Zusammenhang von Kapitalismus und Klima- und Umweltzerstörung die Evidenz – vor allem, wenn Kapitalismus nicht völlig willkürlich mit Wirtschaftswachstum oder wirtschaftlicher Entwicklung im Allgemeinen assoziiert wird.
Ein kurzer Vergleich des Climate Change Performance Index mit dem Index of Economic Freedom illustriert eine klare Tendenz: Jene Länder, die beim Klimaschutz besser dastehen, sind fast durchgehend auch freie Marktwirtschaften. Repressive, etatistische Regimes sind umgekehrt Umweltsünder.
Das wird auch durch einiges an historischer Evidenz unterlegt, denn dezidiert antikapitalistische Staaten wie die Sowjetunion oder die DDR hatten unfassbar horrende Umweltbilanzen. Tatsächlich es ist so, dass der Wohlstand, den freie Marktwirtschaften erschaffen, inklusive der Innovations- und Anpassungsfähigkeiten von Industrie und Wirtschaft eine Grundvoraussetzung für Klimaschutz ist. Das ist auch der Grund dafür, dass es viele Staaten im wirtschaftlich freien Westen geschafft haben, in den letzten Jahrzehnten trotz Wirtschaftswachstum ihre Emissionen zu senken und Umweltbilanzen zu vergessen – Österreich ist hier eine schändliche Ausnahme.
It’s the industry, stupid
Unweigerlich folgt hier das Gegenargument, dass diese massiven Emissionsreduktionen in höher entwickelten, freien Gesellschaften aufgrund von Produktionsverlagerungen nach Übersee zu erklären sind. Allerdings ist diese Behauptung mehrfach geprüft und widerlegt worden, etwa in einer Studie, die in Environmental Science & Policy publiziert wurde. Tatsache ist, dass dieses Phänomen gerade in Europa fast ausschließlich eine stärkere Dekarbonisierung der Energieversorgung, positive Entwicklungen im Verkehrsbereich und eine umweltfreundlichere Industrieproduktion diese Verbesserungen erwirkt haben. Gerade für Letzteres gibt es in Österreich gute Beispiele, denn die Stahlproduktion, Grundstoffindustrie und Zementproduktion sind im internationalen Vergleich deutlich emissionsärmer und rohstoffeffizienter.
Gerade bei der Industrie zeigt sich die Unüberlegtheit der antikapitalistischen Klimaschützer:innen. Sämtliche Darstellungen ihrer Utopien strotzen von Industrieprodukten: Bahngarnituren, öffentliche Verkehrsmittel, sämtliche erneuerbare Energien, E-Bikes, Lastenräder, Fleischersatz usw. kommen nicht aus einer romantischen Werkstatt im 8. Wiener Gemeindebezirk, sondern aus hochkomplexen Industrieanlagen. Und dafür, dass diese auf nachhaltige und sozial verträgliche Art und Weise die Qualität und Menge herstellen können, die für die Energiewende gebraucht wird, ist der moderne Kapitalismus die einzige Möglichkeit.
Denn die Wahl ist klar: Der Stahl für den Bahnausbau, den Klimaaktivist:innen so vehement fordern, kommt von der VOEST, die ihren Strom aus Wasserkraft bezieht und eine der besten Umweltbilanzen der Welt hat. Oder er kommt aus Übersee und wird mit schwerölbetriebenen Schiffen hierher transportiert. Man muss auch immer wieder betonen, dass Schlüsseltechnologien im Kampf gegen den Klimawandel, z.B. Photovoltaik oder E-Mobilität, nur aufgrund von purem profitgetriebenem Innovationsgeist und industrieller Effizienz jetzt gegenüber ihrer fossilen Konkurrenz äußerst konkurrenzfähig sind. Und nicht wegen „Gemeinwohlökonomien“ oder Planwirtschaft.
Jede Umwälzung braucht eine finanzwirtschaftliche Grundlage
Auch die Finanzwirtschaft ist als „Teil des Systems“ natürlich ein rotes Tuch für viele Klimaaktivist:innen. Aber um diese wird man, wenn man ernsthaft Klimapolitik betreiben will, nicht herumkommen.
Schon jetzt wird die Energiewende fast ausschließlich privat finanziert: Laut IRENA, der internationalen Agentur für Erneuerbare Energien, kommen unter 10 Prozent der Investitionen in Erneuerbare von staatlichen Akteuren, der Rest von den bösen Kapitalist:innen. Wie könnte es auch anders sein? Eine Studie nach der anderen betont den massiven Investitionsbedarf für eine klimaneutrale Zukunft – aber auch, dass sich diese Investitionen langfristig ordentlich rentieren werden und weit günstiger sind, als nichts zu tun.
Der Klimawandel wird nicht „weggefördert“ werden können, sondern wird wie alle wirtschaftlichen Wachstumsfelder einen komplexen Mix an Finanzprodukten brauchen, die alles von der kleinen PV-Anlage bis zum gigantischen Offshore-Windpark finanzieren werden.
Die drohende Klimakatastrophe erfordert Kompromisse – auch im Aktivismus
Dass all diese Tatsachen bei weiten Teilen der „Klimabubble“ – deren Kernanliegen, die Welt vor einer drohenden Katastrophe zu retten, ich aus ganzem Herzen teile – unbekannt oder ignoriert werden, führe ich großteils auf einen sehr selektiven Umgang mit Datenmaterial und Evidenz zurück. Es ist aber auch eine Tatsache, dass viele Akteur:innen in der Wirtschaft und auch Liberale das Thema Klimawandel bis heute entweder kleinreden oder in die ideologische Falle der antikapitalistischen Klimaschützer:innen tappen: dass der Kampf gegen den Klimawandel irgendwie eine Revolution hin zu gescheiterten Wirtschaftsideen und weltfremden Utopien erfordern würde.
Dabei zeigt die Evidenz immer stärker in die Gegenrichtung, und alle, die auf der Straße und auf Twitter ein Ende des fossilen Kapitalismus fordern, müssen sich ehrlich fragen, ob sie nicht ohnehin auch im klimaneutralen Kapitalismus protestieren würden. Eine grüne, freie Marktwirtschaft ist das einzig realistische Szenario für eine klimaneutrale Zukunft. Und nebenbei auch das einzige, das in naher Zukunft demokratische Mehrheiten finden wird.
Wer als Aktivist:in richtigerweise erkennt, welche Katastrophe der Klimawandel darstellt, könnte über den eigenen Schatten springen und sich freuen, wenn das Wirtschaftssystem, das Milliarden Menschen aus der Armut gehoben hat, den Lebensstandard und die Lebenserwartung auf der ganzen Welt messbar verbessert, sich auch jetzt dieses Problems annimmt. Notwendig dafür sind die richtigen Rahmenbedingungen und Ordnungspolitik, um die kapitalistische Innovationskraft und Umsetzungsstärke in die richtigen Bahnen zu lenken.
Das erfordert eine solide Klimapolitik. Aber eines ist vollkommen klar: Eine Klimademo braucht definitiv keine Che-Guevara-Shirts – sondern welche mit dem CEO der VOEST.