Mercosur-Blockade wegen 20 Deka Rindfleisch im Jahr
„Mei Rindsfilet is net deppat“ – das war der Tenor einiger Mails, die bei mir in der vergangenen Woche eingetrudelt sind.
Dem voran ging am 16. Mai eine Parlamentsdebatte über den Freihandel und Verträge mit anderen Ländern. Ich hatte dem ÖVP-Bauernbund vorgeworfen, wegen ein bisschen Rindfleisch aus Südamerika das ganze Mercosur-Abkommen zu blockieren.
Dieses Abkommen sieht nämlich nicht nur eine Reduktion der Zölle auf Rindfleischimporte vor, sondern im Gegenzug auch eine Reduktion der Zölle auf österreichische Exporte von Maschinen und Metallwaren nach Südamerika. Dabei sind die Rindfleischmengen so begrenzt, dass es um ca. 200 Gramm Rindfleisch pro Kopf und Jahr geht. Weil die Österreicherinnen und Österreicher jährlich aber 59 Kilo Fleisch verputzen, machen diese 0,2 Kilo wirklich keinen Unterschied, der die Blockade eines Abkommens rechtfertigen würde. Es ist geradezu lächerlich, dass die ÖVP-Bauern wegen dieser kleinen Menge die Versorgungssicherheit Österreichs als gefährdet darstellen.
Aber wozu brauchen wir das Mercosur-Abkommen überhaupt? Im Gegenzug zu niedrigeren Zöllen auf Fleisch profitieren beispielsweise österreichische Produktionsbetriebe durch Mercosur von einer Reduktion der Zölle auf Maschinen und Metallwaren. Unsere Industrie lebt vom Export – und sie bietet auch hochwertige Arbeitsplätze mit überdurchschnittlicher Bezahlung. Mit den Steuern aus der Industrie und ihren Arbeitsplätzen finanzieren wir die Milliardensubventionen für die österreichische Landwirtschaft.
Ganz abgesehen davon muss die EU danach trachten, mit anderen demokratischen Staaten gute Wirtschaftsbeziehungen zu pflegen und dieses Feld nicht der Volksrepublik China oder Putins Russland zu überlassen.
Jedenfalls hat der ÖVP-Bauernbund sechs Tage gebraucht, um meine Rede so zusammenzuschneiden, dass übrig bleibt, ich hätte österreichisches Rindfleisch und österreichischen Käse schlechtgeredet. Das kam dann der Kronen Zeitung zupass, die ja – aus welchen Gründen auch immer – seit Monaten eine Kampagne gegen das Mercosur-Abkommen fährt. Böse Zungen meinen, die Position der Krone hätte ihre Wurzel beim Großinserenten Spar, der selbst gegen Mercosur Stellung bezogen hat.
Dabei zahlt sich ein kritischer Blick aus: Warum ist denn Spar gegen Freihandelsabkommen? Könnte dabei eine Rolle spielen, dass ein Händler seine Marktmacht schlechter ausspielen kann, wenn er mit internationalen Anbietern zu tun hat, die er schlechter unter Druck setzen kann als kleine, regionale Anbieter?
Dass eine große österreichische Tageszeitung sich vom ÖVP-Bauernbund so vor den Karren spannen lässt, dass sie ein Video online nimmt, das der Bauernbund vorher sinnentstellend zurechtgeschnitten hat, sagt auch viel über das Niveau unserer Innenpolitik und unseres Journalismus aus.