Warum E-Sports zumindest „sportähnlich“ sein sollten
E-Sport, das ist professionelles Gaming – und damit für viele Menschen das Gegenteil von Sport. Österreich sollte sich trotzdem trauen, diese Position zu überdenken.
Wenn irgendein Begriff mit Sport assoziiert wird, dann wohl „Bewegung“. Daher ist es leicht verständlich, dass die Debatte, ob Videospiele ein Sport sind, beim ersten Mal absurd anmutet.
Auch ein Blick in den Duden beendet diese Debatte, bevor sie angefangen hat. Immerhin ist „Sport“ dort definiert als
nach bestimmten Regeln [im Wettkampf] aus Freude an Bewegung und Spiel, zur körperlichen Ertüchtigung ausgeübte körperliche Betätigung
Nur körperlich also. Dabei spricht in den Augen der Gaming-Szene einiges dafür.
E-Sport ähnelt dem traditionellen Sport
Es fängt an mit offensichtlichen Ähnlichkeiten. Im E-Sport werden ähnliche Fähigkeiten gebraucht wie in traditionellen Sportarten: Reaktionsgeschwindigkeit, Hand-Augen-Koordination und taktisches Denken.
Anders als bei diversen „echten“, also körperlichen Sportdisziplinen überwiegt bei ihnen aber oft der taktische Aspekt. Da es weniger darum geht, wer, sagen wir, am schnellsten rennen oder am weitesten werfen kann, ist die physische Barriere ausgeschaltet – es zählt rein der „Skill“ auf der Maus, Tastatur oder dem Controller.
Auch das taktische Element gibt es im traditionellen Sport: Wer glaubt, dass Fußball nur „22 Männer rennen einem Ball nach“ ist, kennt die Systeme nicht, die Strategien hinter dem Spiel. Man könnte sogar sagen: Genau das macht ihn ja so interessant.
Es gibt aber auch deutliche Unterschiede, die dafür sprechen, dass E-Sport kein Sport ist. Zum einen eben, dass Bewegung ein untrennbar damit verbundener Teil ist. E-Sports-Profis haben zwar mittlerweile längst auch Coaches für ihren „echten“ Sport, gehen ins Fitnessstudio und müssen durch die Extra-Zeit vor dem PC umso mehr daran arbeiten, fit zu bleiben – aber ja, das Klischee der übergewichtigen Gamer wird manchmal bestätigt. Und es ist kein Angriff „gegen Gamer“, festzuhalten, dass physische Sportarten wohl der wesentlich gesündere Lebensstil sind.
Der wesentliche Unterschied: Die Konzernmacht
Zum anderen ist aber auch die Organisationsform eine andere: Denn im E-Sport werden die Regeln von privaten Unternehmen gemacht. Um dieses technische Thema anschaulich zu machen, vergleichen wir Fußball mit League of Legends (LoL), einem der beliebtesten Videospiele der Welt.
Fußball wird organisiert durch die FIFA. Diese trägt z.B. die Weltmeisterschaft aus und ist Schirmherrin über die kontinentalen Verbände, in Europa wäre das die UEFA. Alle nationalen Verbände, also in Österreich der ÖFB, sind Mitglied der FIFA: Jeder Verein, der in den größeren Turnieren des Fußballs mitspielen will, ist also in irgendeiner Form in einem weltweiten System dabei.
League of Legends ist ähnlich organisiert: Die Firma Riot Games, die das Spiel herausgibt, hat mehrere Ligen, z.B. in Europa, Südkorea und China. Sie verändert aber auch regelmäßig durch Updates das Spiel – und kontrolliert, wer mitspielen darf. Denn wer andere übermäßig beschimpft oder das laufende Spiel verlässt, um allen den Tag zu ruinieren, wird „gebannt“. Das ist, als könnte dir die FIFA für ein Foul verbieten, jemals wieder einen Fußball zu treten.
Und das ist nicht nur bei LoL so. World of Warcraft, Call of Duty, Fortnite – all diese Spiele gehören großen Unternehmen, die ihre eigenen Regeln machen. Die Konzernmacht ist im E-Sport also ein großer Unterschied zum traditionellen Sport. Auch dort gibt es kommerzielle Interessen, allerdings kann niemand einen Menschen davon abhalten, mit einem Sport anfangen zu wollen – alles, was es braucht, ist ein Ball oder die sonstige entsprechende Ausrüstung.
Es braucht eine rechtliche Regelung für E-Sports
Ob man diese Parallelen nun als Grund nimmt, E-Sport als Sport anzuerkennen oder nicht: De facto ist diese Entwicklung längst vollzogen. E-Sport-Weltmeisterschaften füllen Stadien, die großen Turniere werden von Millionen von Menschen gesehen. Nicht nur dort geht es um Preisgelder in Millionenhöhe – auch in den Übertragungen und der Werbung steckt enorm viel Geld. Nicht umsonst haben auch Fußballclubs wie der FC Barcelona, Schalke 04 oder Paris Saint-Germain schon E-Sport-Teams, auch in Österreich haben größere Vereine zumindest FIFA-Spieler unter Vertrag. (FIFA das Videospiel, nicht FIFA die Organisation.)
Und das wahrscheinlich bedeutendste Argument: In affineren Kulturen wie Südkorea werden Gamer längst behandelt wie bei uns die Besten aus dem Fußball- und Skisport, sie sind Werbeikonen und Vorbilder für die Jugend. Dieser ist egal, ob sich ihre Idole außerhalb des Spiels besonders schnell bewegen können oder wie viele Muskeln sie haben: Die Leistung, die sie in einem Spiel erbringen, das so viele junge Menschen auch spielen, ist das Interessante.
Darum ist es nicht irrelevant, welchen rechtlichen Status wir E-Sport geben. Viele Sportvereine, die mit Bewegung zu tun haben, genießen einen gemeinnützigen Status, steuerliche Vorteile oder Förderungen. Das kann man zum Teil damit rechtfertigen, dass sie Kindern und Jugendlichen ermöglichen, in Bewegung zu bleiben. Aber ist Bewegung wirklich das Einzige, was man daran gut finden kann?
Das gemeinschaftliche Spielen, das Besserwerden, das soziale Element – all das ist im E-Sport vorhanden. Man kann darüber streiten, ob es sich wirklich um Sport handelt, und die Rahmenbedingungen sind durch die Videospielhersteller deutlich komplexer. Trotzdem sollte Österreich den geänderten Tatsachen ins Auge sehen und eine Regelung schaffen, die dem E-Sport ähnliche Rahmenbedingungen wie körperlichen Sportarten gibt. Gamer und Fans hätten es sich verdient.