Das Neutralitätsgesetz
Artikel I.
1. Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.
2. Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.
Artikel II
Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.
Der österreichische Nationalfeiertag am 26. Oktober feiert, anders als in anderen Staaten, nicht die Befreiung oder Unabhängigkeit – sondern das Neutralitätsgesetz. Die Neutralität gilt als „Heilige Kuh“ und ist ein wichtiger Teil der Gründungsgeschichte der Zweiten Republik. Viele Menschen sind stolz auf sie und betonen die historische Rolle Österreichs als „Brückenbauer“.
Dabei schreibt das Gesetz gar nicht so genau vor, was Neutralität eigentlich bedeutet. Im Gesetzestext steht nämlich lediglich, dass Österreich keinem Militärbündnis beitritt und keine militärischen Stützpunkte fremder Staaten auf eigenem Boden zulässt.
Trotzdem wird die Neutralität gerne auch schon dann ins Spiel gebracht, wenn sich das österreichische Bundesheer an UN-Missionen beteiligt oder der Ukraine mit Geld geholfen wird. Dabei ist das alles mit der Neutralität vereinbar, wie Ralph Janik in seinem Artikel „Die Grenzen der Neutralität“ erklärt.
Wie wir die Neutralität leben, ist letztendlich Interpretationssache. Das kurze Neutralitätsgesetz lässt Österreich viele Optionen offen, und gerade im Kontext der aktuellen weltpolitischen Situation darf man die Frage stellen, wie österreichische Interessen und Außenpolitik aussehen sollten. Darum fordert Veit Dengler in seinem Kommentar: „Wir müssen über die Neutralität reden.“