Große Pferde und keine Russen im U-Ausschuss
Am 13. März startete der zweite Untersuchungsausschuss im Superwahljahr 2024 mit Befragungen. Der „ROT-BLAUE Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss“ wurde von der ÖVP alleine beantragt und soll im beginnenden Wahlkampf Material gegen die zwei Kontrahentinnen der ÖVP liefern. Doch am ersten Tag wurde die Untersuchung torpediert – von Kickls einstigem Generalsekretär im Innenministerium.
Der Tag beginnt mit einer kleinen Sensation: Der Paravent ist weg! Der strittige Sichtschutz, der vergangene Woche beim COFAG-U-Ausschuss zwischen Medienvertreter:innen und den Arbeitsplätzen der SPÖ-Fraktion aufgestellt wurde, warf einen dunklen Schatten über den Start der beiden neuen parlamentarischen Untersuchungen.
So groß die Aufregung letzte Woche war, so schnell kommt es jetzt zu einer Entscheidung: Der Paravent wird kurzerhand von einem Mitarbeiter der Parlamentsdirektion abgebaut – sprich: zusammengeklappt und weggetragen. Somit kann man sich dann endlich auch dem eigentlichen Grund des Zusammentreffens widmen: der Befragung von Auskunftspersonen.
U-Ausschuss-Urgestein spricht über Kickls (zu) große Pferde
„Ich stehe Ihnen heute gerne zum 12. Mal als Auskunftsperson zur Verfügung“, sagt Wolfgang Peschorn in seinem Eingangsstatement. Der Leiter der Finanzprokuratur eröffnet auch die Befragungen des „Rot-blauer Machtmissbrauch-U-Ausschusses“, nachdem er bereits vergangene Woche dieselbe Aufgabe im COFAG-U-Ausschuss innehatte.
Mit einiger Belustigung bedanken sich dann auch viele Fragende bei Peschorn für sein wiederholtes Erscheinen. Anders als in vorherigen Befragungen geht es diesmal in erster Linie um Peschorns Zeit als Innenminister in der „Expertenregierung“ von Brigitte Bierlein. Besonders interessiert die Abgeordneten, warum er bereits „am zweiten oder dritten Tag“ seiner Amtszeit fast sämtliche Inserate des BMI stoppen ließ und dazu einen internen Revisionsbericht beauftragt hat. Es habe sich weder für das BMI noch für die Republik etwas Negatives ergeben durch den Inseratestopp, so Peschorn. Es wurde aber viel Steuergeld gespart – und das sei immer etwas Gutes.
Relativ schnell – und relativ oft – kommt die Sprache auf eines von Herbert Kickls Prestigeprojekten: die berittene Polizei. Diese wurde von Peschorn gestoppt, aus vielerlei Gründen, wie er darlegt: Da wären etwa die deutlich höheren Kosten gewesen, statt 600.000 Euro beliefen sie sich auf 2,3 Millionen Euro. Ein Problem sei auch die Größe der Pferde gewesen, im Vergleich zu den eher kleinen Reiterinnen (damals waren offenbar nur Frauen in der entsprechenden Ausbildung). Was bei einem Einsatz ebenso zum Problem werden könnte wie die Tatsache, dass die Pferde in einem Stall in Wiener Neustadt einquartiert waren, es aber nur einen Transportanhänger gab. Ein Blick durch den Raum zeigte, dass sich viele ein Lachen verkneifen mussten.
Die Pferde sorgen auch später immer wieder für Erheiterung, etwa bei der Frage von Yannick Shetty (NEOS), ob die Finanzprokuratur in die Anschaffung der Tiere involviert gewesen sei. Mit einem Schmunzeln bedankt sich Peschorn für diese Frage, da er jetzt seine ausgewiesene Kenntnis in der Pferdehaltung wiedergeben könne. Auf einen Einwand, ob das Thema in den Untersuchungsgegenstand passe, sagt Vorsitzender Gerstl – er übernahm den Vorsitz von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der sich auch vergangene Woche bereits vertreten ließ –, das sei nur der Fall, wenn das Pferd eine Leitungsfunktion gehabt habe. Allgemeine Heiterkeit. Die Verfahrensrichterin stimmt Shetty aber zu, der einwendet, es müsse ja eine Staffelleitung gegeben haben. Er konkretisiert seine Frage, damit das doch relevante Thema – er erwähnt die hohen Kosten für die Steuerzahler:innen – nicht ins Lächerliche abgleite.
Darf man über Marsalek reden?
Ganz zum Schluss wird es dann doch noch inhaltlich brisant. Weil immer wieder die Russland-Connections der FPÖ und ihre Beziehungen zum Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek in den Fragen der Abgeordneten erwähnt werden, entwickelt sich eine Diskussion darüber, ob das vom Untersuchungsgegenstand gedeckt sei. Weil die Befragungszeit für Peschorn aber bereits so weit fortgeschritten ist – es verbleiben noch sechs Minuten –, schlägt Vorsitzender Gerstl eine Stehung vor. Die Sitzung wird also unterbrochen, zum ersten Mal an diesem Tag. Das Ergebnis nach langer Diskussion: Verfahrensrichterin Christa Edwards erklärt, dass im Untersuchungsgegenstand weder Russland noch Marsalek vorkommen. Es müsse daher von Fall zu Fall entschieden werden, ob ein konkreter Bezug zum Thema des U-Ausschusses mit Postenbesetzungen, Inseraten oder Auftragsvergaben bestehe.
Der strenge Blick der Internen Revision
Vieles von dem, was Peschorn in seiner Befragung erklärte, wird vom auf ihn folgenden Michael N. bestätigt oder weiter ausgeführt. N. ist der Leiter der Internen Revision im Innenministerium, die Abgeordneten interessieren sich vor allem für den Bericht, den bereits Peschorn erwähnt hat. Einmal geht es um den Personalstand der verschiedenen Kabinette und einmal um die Medienkooperationen des Innenministeriums unter Kickl. Anlass für den Auftrag dazu seien „divergierende“ Daten der Fachabteilungen gewesen, die Peschorn in seiner Zeit als Innenminister aufgeklärt haben wollte.
Für Aufsehen sorgt die Frage von Shetty über Klaus-Dieter Fritsche – einen Wirecard-Lobbyisten, der vom BMI unter Kickl 2019 rund um die BVT-Reform als Berater angeheuert wurde, der Auftragswert habe 79.000 Euro betragen. Laut E-Mails, die dem U-Ausschuss vorliegen, bekam er dafür ein eigenes Büro im BVT mitsamt der Einstufung, streng geheime Dokumente lesen zu dürfen. Vor seiner Karriere für Wirecard war Fritsche Vizepräsident des deutschen Verfassungsschutzes, dann Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt (2014–2018). N. weiß von dem Auftrag für Fritsche nichts, obwohl vom Betrag her die Interne Revision mit dem Auftrag beschäftigt hätte werden müssen.
Ex-BMI-Generalsekretär verweigert die Auskunft
Die letzte Auskunftsperson, Peter Goldgruber, sorgt dann vor allem für lange Geschäftsordnungsdebatten und Stehungen der Fraktionsführer:innen. Der ehemalige Generalsekretär des Innenministeriums unter Herbert Kickl verweigert nämlich die Aussage und spielt auf Zeit. Nach der ersten Frage der Verfahrensrichterin liest er für gut 20 Minuten die Begründung für seine Aussageverweigerung vor – unter anderem, weil er den Untersuchungsgegenstand als verfassungswidrig empfindet.
Vorsitzender Gerstl kündigt daraufhin an, dass er eine Beugestrafe beantragen wird. Doch das ändert nichts an der Farce, die Goldgruber abzieht. Denn nach der ersten Frage der Abgeordneten – Meri Disoski (Grüne) ist dran – liest er nochmals sein Statement vor. Der höchste Beamte des Innenministeriums unter Kickl würdigt das Untersuchungsorgan des Parlaments also nicht einmal mit Antworten.