Worum es im COFAG-U-Ausschuss wirklich geht
Die parlamentarische Untersuchung geht in die nächste Runde: Am 3. und 4. April traf sich der „COFAG-U-Ausschuss“. Das Thema? Um ehrlich zu sein: alles mögliche.
Und eigentlich, verehrtes Publikum, hätte hier eine Art Nacherzählung stehen sollen. Aber das kam mir angesichts der vielen verschiedenen Causen, die an diesen Tagen so kompakt besprochen wurden, etwas sinnlos vor. Ein simples „Wer sagt was“, das bieten viele Medien mit ihren Livetickern wesentlich besser, und die Zielgruppe derer, die noch durchblicken, dürfte überschaubar auf Angestellte dieser Medien beschränkt sein.
Darum tauchen wir kurz in eine Frage ein, die anhand der beiden Sitzungstage beantwortet werden kann: Worum bitte geht’s eigentlich im COFAG-U-Ausschuss? Denn ich glaube, dass es die meisten nicht wissen. Und da es sogar mir, als Anwesendem im Raum, schwerfällt, all diese Geschichten einzuordnen, kam mir ebendas angemessen vor.
Undurchsichtig und umstritten
Denn U-Ausschüsse haben kein gutes Image. Nicht zuletzt, weil die, denen sie unangenehm sind, das so wollen. Die Angriffe von Sebastian Kurz und seiner Partei gegen die unabhängige Justiz hängen uns noch in den Ohren: „Rote Netzwerke“ würden dort gegen die unschuldige ÖVP intrigieren, Kurz-Vertraute und Ex-Ministerin Köstinger sprach im Zusammenhang mit dem U-Ausschuss gar von einer „Löwinger-Bühne“. Dementsprechend gestaltet sich auch das Vertrauen in die U-Ausschüsse: Nur 15 Prozent der ÖVP-affinen Menschen sehen in dem Kontrollinstrument einen Sinn.
Im Wesentlichen ging es in den letzten Tagen rund um den vielschichtigen Fall René Benko. Der U-Ausschuss konzentriert sich aber weniger auf die Ursachen seiner Pleite, sondern auf die Frage, ob er und andere reiche Persönlichkeiten in Österreich von der Politik und Verwaltung bevorzugt behandelt wurden. Dafür spricht einiges: Wir wissen mittlerweile, dass Benko an vielen Stellen sein undurchsichtiges Firmennetzwerk genutzt hat, um seine Steuerlast zu reduzieren, und es gibt viele Hinweise darauf, dass gute Connections in die Politik dabei geholfen haben.
Das klingt relativ konkret – aber eigentlich ist Benko nur ein Puzzlestück in diesem riesigen Themenkomplex. Um nur zu zeigen, wie vielschichtig diese Geschichte ist, hier ein auf den Kern reduzierter Überblick der verschiedenen Causen, die am 3. und 4. April im U-Ausschuss besprochen wurden.
Die vielen Causen des René Benko
- 2018 änderte sich der Steuersitz einiger Benko-Firmen, von Wien zu Innsbruck. Bei dieser Verschiebung meldete ein zuständiger Beamter in Wien Zweifel über den „überstürzten Abzug“ an. In Innsbruck waren Prüfer des Finanzamts Innsbruck, die gerade mehrere Signa-Firmen prüften, bei Benko zu Gast auf Kaffee und Kuchen. Wird in Innsbruck anders geprüft als in Wien? Das ist die Causa Sitzverschiebung.
- Begleitend dazu hatte René Benko aber auch Freunde in der Politik und Verwaltung, die dieser Entscheidung einen gewissen Nachdruck gaben. Der frühere Sektionschef im Finanzministerium Eduard Müller etwa – er leitet heute die Finanzmarktaufsicht – soll Beamte wütend angerufen und Telefonkonferenzen angefordert haben. Haben Benkos Freunde ihre Macht genutzt, um ihm zu helfen? Das ist die Causa Interventionen.
- Die Luxusvilla Benkos, das Schlosshotel Igls, wurde um mehrere Millionen gebaut. Die Baukosten holte sich das Firmenimperium über einen Vorsteuerabzug zum Teil zurück. Und das, obwohl das angebliche „Hotel“ nur einen Gast hat: René Benko. Wurde da bewusst übersehen, dass es sich um kein Unternehmen, sondern ein privates Luxushaus handelt? Hat sich Benko dadurch einiges gespart, vielleicht sogar daran verdient? Das ist die Causa Schlosshotel Igls.
- Eine sehr ähnliche Geschichte: Das sogenannte „Chalet N.“ wurde zwar offiziell vermietet, generiert aber de facto keine Mieteinnahmen. Das Unternehmen ist stark im Minus und hebt trotz Rückständen keine Mieterträge ein. Eine Konstruktion aus dem Signa-Netzwerk, um die Steuerlast zu reduzieren? Das ist die Causa Chalet N.
- In Tirol besaß die Signa über eines ihrer unzähligen Subunternehmen auch einen sogenannten Business Jet: ein Geschäft, das keinen Gewinn abwarf. Obwohl diese Subfirma 2010–2015 keine Gewinne brachte, wurde sie nicht als Liebhaberei eingestuft, hätte also verwendet werden können, um an anderer Stelle im Signa-Komplex Steuern zu sparen. Warum wurde da nicht hingeschaut? Das ist die Causa Business Jet.
Und das ist nur der Kern dessen, was allein an diesen zwei Tagen besprochen wurde. Denn eigentlich geht es im COFAG-U-Ausschuss nicht um René Benko – zumindest nicht nur. Offiziell trägt er den sperrigen Namen „Zwei-Klassen-Verwaltung wegen Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder“, der COFAG-U-Ausschuss ist schon sein Spitzname. Und es geht nicht nur um Benko, sondern auch um Namen wie Sigi Wolf und Christian Baha. Und, wenn man ÖVP-Abgeordnete im U-Ausschuss provozieren und eine Geschäftsordnungsdebatte anzetteln will: Stefan Pierer.
Und was ging jetzt genau weiter?
Viel. Vermutlich. Wir wissen es noch nicht so genau, weil das Wissen, das neu dazu gekommen ist, erstmal in weitere Untersuchungen fließen muss. Eine Beamtin, die im Fall der Steuerprüfung des ÖVP-nahen Unternehmers Sigi Wolf tätig war, gab etwa an, dass sie wusste, dass sie sich damit nicht beliebt mache, der heutige FMA-Chef Eduard Müller wiederum versuchte, Interventionsversuche aus seiner Zeit im Finanzministerium zu relativieren. Rund um das Finanzamt Innsbruck bleiben einige offene Fragen rund um mutmaßlich freundliche Unterstützung für René Benko.
Aber hier ist eine Geschichte, die wir ohne diese Sitzungstage noch nicht wüssten: Nach der umstrittenen Verschiebung des Steuersitzes von Wien nach Innsbruck hatte René Benko zumindest eine offensichtliche Änderung. Während in Wien noch Zweifel angemeldet und im elektronischen Akt vermerkt wurden, redeten die zuständigen Prüfer für Signa-Unternehmen direkt mit Benko – und zwar auf seine Einladung. Offiziell ging es um eine allgemeine Vorstellung des Signa-Konzerns. Laut Angaben eines der Prüfers, die eingeladen waren, gab es Kaffee.
Und genau darum geht es im COFAG-U-Ausschuss. Um die Frage, ob es sich manche besser richten können als andere. Normale Mieterinnen und Mieter können nicht einfach jahrelang keine Miete zahlen, weil es sich für das Gesamtkonstrukt der Firma lohnt. Generell sind mietende und vermietende Partei selten in Personalunion. Wer zu wenig Steuern zahlt, bekommt schnelle und unfreundliche Nachrichten vom Finanzamt und kann sich keine fleißigen Beamten nach Hause holen, um die Situation zu erklären.