Der Vertrauensverlust in die Demokratie in Zahlen
Der Demokratiemonitor erhebt seit 2018 die Vertrauenswerte in demokratische Institutionen. Auch dieses Jahr zeigen die Ergebnisse: Das Vertrauen in die Demokratie sinkt.
Dieser Artikel behandelt Daten des Demokratiemonitors für das Jahr 2022. Aktuellere Daten für 2023 sind im Artikel „Vertrauen in Demokratie bleibt niedrig“ enthalten.
Die letzten Jahre in Österreich können mit vielen Worten bezeichnet werden. Stabilität ist keines davon. Die Corona-Pandemie, Krieg in Europa, die in die Höhe schießenden Energiepreise und die zweistelligen Inflationsraten würden jedes politische System herausfordern. Dass die heimische Politik in der Zwischenzeit mit Chats, Inseratenkorruption und gefälschten Umfragen beschäftigt war, führt aber zu einer gefährlichen Mischung, die das Vertrauen in die Demokratie zunehmend erschüttert.
Die Zufriedenheit mit der Demokratie
Das alles ist keine Vermutung, sondern das Ergebnis des aktuellen Demokratiemonitors. Dieser wird seit 2018 jährlich durchgeführt und ermittelt durch eine Befragung mit repräsentativem Publikum, wie es um die Zufriedenheit mit der österreichischen Demokratie und ihren Institutionen steht.
Diese Diskussion kennt man vor allem durch Schlagzeilen, dass sich die österreichische Bevölkerung einen „starken Führer“ wünsche – auch diese Einstellung taucht in der Statistik auf. So stimmen 11 Prozent der Aussage zu, dass es einen „starken Führer“ geben solle, „der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss“ – zählt man jene dazu, die dieser Aussage nur „ziemlich“ zustimmen, kommt man auf 26 Prozent. Im Vorjahr waren es noch 21 Prozent.
Trotzdem bleibt der Glaube an die Demokratie stark – und mehrheitsfähig. Fragt man die Menschen, welche Staatsform die beste ist, erzielt unsere Staatsform nach wie vor eine absolute Mehrheit. Die Ablehnung bezieht sich also auf die aktuelle Situation, nicht auf das Prinzip der liberalen Demokratie.
Der Vertrauensverlust betrifft insbesondere die politischen Institutionen, also vor allem die Bundesregierung und das Parlament. Das Vertrauen in die Bundesregierung war schon beim ersten Demokratiemonitor mit 43 Prozent der Befragten, die ihr „sehr“ oder „ziemlich“ vertrauten, eher niedrig angesiedelt. In den letzten Jahren sank dieses Vertrauen um weitere zehn Prozent – nur noch ein Drittel würde dieser Aussage zustimmen. Die unpolitischeren Institutionen wie Justiz und Polizei verlieren zwar auch leicht an Vertrauen, im Vergleich ist dieser Wert aber sehr stabil.
Diese Entwicklung strahlt auch auf das Parlament aus. Es genießt wie zum Beginn der Befragung 5 Prozentpunkte mehr Vertrauen als die Bundesregierung. Interessant ist, dass sich dieser Trend 2019 gedreht hat: Für zwei Jahre genoss die Bundesregierung höhere Werte als das Parlament. Seit 2021 – das Jahr, in dem diverse Korruptionsvorwürfe gegen amtierende oder ehemalige Politiker:innen der Bundesregierung laut wurden – hat sich dieser Trend wieder gedreht. (Die Daten für 2022 wurden vor den Medienberichten erhoben, laut denen Thomas Schmid Kronzeuge der WKSTA werden will.)
Die Gründe für den Vertrauensverlust
Laut SORA-Institut gibt es für diese Entwicklung mehrere Gründe: Vor allem Menschen mit geringem Einkommen fühlen sich im Parlament nicht vertreten (68 %) und geben an, als „Menschen zweiter Klasse“ behandelt zu werden (73 %). Die eher gut verdienenden – das oberste Drittel der wirtschaftlichen Statistik – fühlt sich wiederum vom Staat bevormundet (49 %) und sieht Freiheitseinschränkungen, z.B. im Laufe der Pandemie, kritisch.
Dazu kommt, dass sich die Situation vieler Menschen durch die Pandemie verschlechtert hat. Auch diese Entwicklung ist je nach Einkommensgruppe ungleich verteilt:
Außerdem wurde abgefragt, wie stark sich die Bürger:innen durch die hohe Teuerung einschränken müssen. Hier sagen immerhin 40 Prozent des oberen Einkommensdrittels, dass sie sich noch gar nicht einschränken müssen. Im untersten Drittel gibt das nur ein Prozent an.
Und auch sonst bleibt der Ausblick in die Zukunft eher pessimistisch: Die Inflation bereitet 60 Prozent der Menschen Sorgen, weitere 32 Prozent ärgern sich über die Situation. Und auch bei anderen großen Themen blicken die Österreicher:innen eher negativ in die Zukunft: Das Migrationsthema wird mit 13 Prozent Zuversicht noch am besten beurteilt.
Das Gesamtbild, das der Demokratiemonitor zeichnet, lässt also wenig Optimismus zu: Die Menschen haben in Zeiten multipler Krisen nicht das Gefühl, dass die Politik sie vertritt, das Vertrauen in die Politik geht in der Menge der Korruptionsvorwürfe unter. Das betrifft nicht nur die Bundesregierung, sondern färbt auf alle Institutionen ab – und das nicht erst seit diesem Jahr.
Wenn man nach einem Funken Optimismus in der Statistik sucht, findet man ihn in der Zustimmung zur demokratischen Idee. Nach wie vor steht eine große Mehrheit der Österreicher:innen zur Aussage, dass die Demokratie die beste aller Staatsformen sei. Es liegt also an der Politik, Lösungen zu liefern. Denn der Vertrauensverlust bezieht sich auf die aktuelle Situation – und nicht auf die Demokratie an sich.
Symbolbild, produziert mit Midjourney AI