5 Reformen, die mehr bringen würden als zwei neue U-Ausschüsse
Zwei neue U-Ausschüsse sollen Korruption aufdecken. Dabei ist schon durch die letzten drei völlig klar, was Österreich tun müsste, um Korruption zu bekämpfen.
„Rot-blauer Machtmissbrauch“ und „Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder“. Das sind die beiden Themen, die nächstes Jahr in U-Ausschüssen behandelt werden. Der Befragungszeitraum wird kurz sein, fällt aber direkt in den EU-Wahlkampf – und baut Stimmung für die Nationalratswahl im Herbst auf.
Vor allem die ÖVP, die hinter dem „rot-blauen“ U-Ausschuss steckt, wird versuchen, sich nach den zahlreichen Korruptionsvorwürfen der letzten Monate und Jahre einen neuen Anstrich zu geben: Immerhin ist es plötzlich sie, die Korruption aufdecken will. Das kann man mit U-Ausschüssen durchaus machen – aber eigentlich wäre es an der Zeit, Reformen umzusetzen. Die Erkenntnisse aus dem BVT-, dem Ibiza- und dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss haben nämlich genug Ideen gebracht, die fertig ausgearbeitet sind.
1. Transparente Inseraten-Vergabe
Ein Grundübel des polit-medialen Komplexes in Österreich ist, dass sich die Politik nach wie vor in den Medienmarkt einmischen kann. Ministerien haben viel Geld zu vergeben – und können freihändig entscheiden, wer es bekommt. Diese Beträge machen wesentlich mehr aus als die offizielle Förderung. Das öffnet Potenzial für Willkür: Wenn ein Medium kritisch berichtet, kann es sein, dass es dadurch wirtschaftliche Nachteile hat.
Um Inseratenkorruption abzudrehen, könnte die Bundesregierung ihre Zeit darauf verwenden, den Ministerien einen „Deckel“ zu geben, wie viel sie inserieren dürfen, zusammen mit nachvollziehbaren Kriterien, wo Werbeschaltungen sinnvoll sind. Wenn Medien unabhängig arbeiten sollen, müssen sie auf eigenen Beinen stehen. Da Österreich ein kleiner Medienmarkt ist, spricht man dabei meist auch über eine Neuaufstellung der Presseförderung – momentan werden nicht nur Qualitäts-, sondern auch russische Propaganda-Medien gefördert, und wir haben eine Digital-Förderung, die reine Digitalmedien nicht fördert.
2. Stärkung der unabhängigen Justiz
Selbst wenn die U-Ausschüsse neue Ergebnisse bringen, ein Problem bleibt: Die Ermittlungsbehörden können nicht so arbeiten, wie sie sollten. Verfahren dauern lange, es gibt wenig Personal und viel Bürokratie, und auch vom politischen Einfluss in der Justiz haben wir zuletzt wieder verstärkt gehört.
Wenn die Regierung daran interessiert wäre, Korruption zu verhindern, würde sie noch vor der nächsten Wahl eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft auf den Weg bringen. Außerdem braucht die Justiz mehr Ressourcen: mehr Investitionen, z.B. im Strafvollzug, aber auch mehr Personal. Und das zieht man durch gutes Gehalt und gute Arbeitsbedingungen an – auch hier gibt es Verbesserungsbedarf.
3. Informationsfreiheitsgesetz ohne Zweiklassensystem
Momentan sieht es danach aus, als würden wir ein „Informationsfreiheitsgesetz“ bekommen. Aber darunter wird nicht das verstanden, was mehr als zehn Jahre diskutiert wurde: Denn nicht alle Gemeinden sollen in Zukunft transparent sein, sondern nur die größeren. Alle anderen müssen ihren Transparenzpflichten nur nachkommen, wenn nachgefragt wird – gerade in kleinen Orten, wo keiner so genau hinschaut, braucht es da engagierte Bürgerinnen und Bürger, die die richtigen Fragen stellen.
Auch hier könnte man noch nachschärfen. Insgesamt geht das Gesetz ja schon in eine richtige Richtung, weil das Amtsgeheimnis als Status quo abgeschafft wird. Wenn man diese Regelung jetzt noch auf alle ausweitet, verhindert man „Dunkeldörfer“ und dass Transparenz nur für Bürgerinnen und Bürger in den Städten gilt.
4. Keine intransparenten Auslagerungen mehr
Eines muss man den U-Ausschüssen lassen: Sie nennen zumindest wichtige Themen. Unter anderem die Covid-19-Finanzierungsagentur, kurz COFAG. Mit diesem Konstrukt, das extra als eigene GmbH angelegt wurde, sollten schnelle Entscheidungen getroffen werden – aber ohne parlamentarische Kontrolle. Im Endeffekt mussten die Unternehmerinnen und Unternehmer trotzdem lange auf ihr Geld warten, bevor als Konsequenz die Gießkanne ausgepackt wurde.
Dabei gäbe es gerade bei Förderungen ein sehr einfaches Mittel, um Steuergeldverschwendung zu vermeiden: Transparenz. Eigentlich müsste man dafür sorgen, dass es keinen U-Ausschuss braucht, um zu sehen, wie viel Geld wohin fließt. Mit der neuen U-Ausschuss-Saison können durchaus neue Zahlen ans Licht kommen – aber sie ändern nichts am Grundproblem.
5. Ein besseres Korruptionsstrafrecht
Die große Baustelle, die trotz aller Enthüllungen der letzten Jahre bleibt: Ibiza wäre nach wie vor möglich. Denn eine Gesetzeslücke erlaubt es nach wie vor, Unterstützung für Gesetzesanliegen zuzusagen, um diese dann gegen Geld umzusetzen: Man muss es nur machen, bevor die Neuwahl beschlossen ist. Die Nacht vor der Ausrufung des Wahltermins wird damit zum Stichtag für korrupte Versprechungen aller Art. Treffsicheres Strafrecht sieht anders aus.
Aber nicht nur dieses Schlupfloch gehört geschlossen – vieles von dem, was die Justiz gerade beschäftigt, ist nach wie vor legal. Unabhängige Postenbesetzungen statt Postenschacher in Ministerien würden dafür sorgen, dass nicht mehr Parteigünstlinge den Job bekommen, sondern die besten Bewerberinnen und Bewerber. Das würde die Verwaltung massiv gegenüber politischer Willkür stärken. Und am Ende wohl auch viel Geld einsparen.
Ausblick
Mit der Tatsache, dass uns in einem Wahljahr gleich zwei U-Ausschüsse beschäftigen werden, ist die Hoffnung auf Reformen wie diese gering. Zu groß ist die Hoffnung der Parteien darauf, sich gegenseitig in den Umfragen hinunterzuziehen und Momentum zu gewinnen. Die Prognose ist also unangenehm, aber es scheint so, als wäre die politische Arbeit für das nächste Jahr ausgesetzt.
Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das vor allem die Aufgabe, ein langes Gedächtnis zu haben. Denn auch, wenn die ÖVP und die Grünen in den U-Ausschüssen ernsthaftes Interesse an Korruptionsbekämpfung vorgeben werden: Wenn die Regierung jetzt fast ein Jahr verstreichen lässt, ohne diese Reformen umzusetzen, dann zeigt sie, wie ernst sie es mit Transparenz wirklich meint.